Freitag, 29. März 2024

Aufsichtsbehörde im Kampf gegen illegales Online-Glücksspiel in Deutschland gefordert

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Glücksspiel-Experten fordern eine bessere Regulierung im Kampf gegen illegales Spiel. (Bild: Getty)

Der Ruf nach einer Aufsichtsbehörde zur Regulierung von Online-Glücksspiel in Deutschland wird immer lauter. Diese Woche forderte Dr. Tilman Becker, der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, im Rahmen des 15. Glücksspielsymposiums erneut eine nationale Kontrollstelle für das gesamte Bundesgebiet. In Deutschland sind traditionell die 16 Bundesländer für ihre jeweiligen Glücksspielgesetze zuständig. Alarmierender Anlass und Grund für die erneute Forderung nach einer Kontrollstelle ist unter anderem, dass der illegale Schwarzmarkt für Online-Glücksspiel immer weiter zunimmt.

Das deutsche Recht ist von großer Ungewissheit geprägt und stellt Glücksspiel-Anbieter immer wieder vor große Probleme. Eine umfassende Regulierung, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits eingeführt wurde, ist in Deutschland in weiter Ferne. Darunter leiden Spieler und Anbieter, während dem Staat Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren gehen. Gleichzeitig floriert der illegale Glücksspielmarkt im Internet aufgrund der ungewissen Gesetzeslage.

Deutschland als Paradies für illegales Glücksspiel

Der illegale Online-Markt in Deutschland sei in einem ständigen Aufschwung begriffen, so Forschungsstellenleiter Dr. Tilman Becker während des Symposiums. Dabei sei das Problem die instabile und kaum vorhandene Regulierung in Deutschland, die durch die sich widerstrebenden Interessen der 16 Bundesländer entstanden sei. Dr. Becker erklärte dazu:

„Wer sich nicht an Regeln hält, wird faktisch belohnt und dem Staat entgehen Einnahmen von einer halben Milliarde Euro.“

Die Teilnehmer des Symposiums in Hohenheim fordern daher eine Bundesbehörde, die als deutschlandweite Kontrollstelle für Ordnung im Regulierungsdschungel sorgen soll. Als Vorbild könne dafür die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, dienen, so die Experten. Die Bankenaufsicht untersteht dem Finanzministerium und sorgt dafür, dass sämtliche Finanzgeschäfte- und Unternehmen in Deutschland die geltenden Regeln befolgen.

Regulierungsmodell für digitales Zeitalter

Die Fachleute sind der Ansicht, dass die Prämisse, Glücksspiel finde in Form von Spielbanken, Lotterien und Automatenspiel in landbasierten Einrichtungen statt, aufgehoben und modernisiert werden müsse. Im Zeitalter der Digitalisierung sei eine neue Herangehensweise nötig, die den wachsenden und weitaus schwieriger zu kontrollierenden Online-Markt miteinschließe. Dies fordert auch Bert Rürup, der als Leiter des Handelsblatt Research Institutes bereits im April 2017 auf die dringende Notwendigkeit einer Online-Regulierung hinwies. Das Suchtpotenzial, das von Online-Spielen ausgeht, sei zudem wesentlich höher als bei traditionellen Angeboten, so der Psychologe Tobias Hayer von der Uni Bremen:

„Die entscheidenden Faktoren sind Verfügbarkeit sowie schnelle Spielformen, bei denen Entscheidungen im Sekundentakt dem Spieler den Kick geben. Manche Studenten zocken am Handy während meiner Vorlesung.“

Kritik an Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein, das von anderen für seine fortschrittliche Haltung gegenüber Glücksspiel gelobt und als gutes Beispiel zitiert wird, steht ganz besonders im Kritikfeuer der Symposiums-Teilnehmer. Das Bundesland hatte in einem bahnbrechenden Gesetzesentwurf von 2011 bis 2013 eigene Glücksspiellizenzen für Online Casinos und Sportwettenanbieter vergeben, die Anbietern das Geschäft in Schleswig-Holstein erlauben. Die Werbung für Sportwetten und Co. finde jedoch grenzüberschreitend in allen Bundesländern statt, so Dr. Tilman Becker, der in diesem Zusammenhang von einem Schlupfloch sprach:

„Die teilweise bewusst laxe oder sogar destruktive Haltung mancher Länder hat Deutschland zu einem Schutzraum für illegale Glücksspieler gemacht. Schleswig-Holstein hebelt de facto das Verbot aus, das in den anderen 15 Bundesländern gilt.“

Dabei werben Anbieter zunächst mit Sportwetten, die auch im Rest der Bundesrepublik erlaubt sind. Auf den Webseiten würden Spieler dann jedoch weitergeleitet zu Casinospielen und Poker, so Dr. Becker. Was den Bereich Sportwetten angeht, so herrscht im Übrigen auch hier seit Jahren Chaos. Mit dem Scheitern des bereits von der EU kritisierten 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag durch das Nein aus Schleswig-Holstein, gibt es nach wie vor keine Fortschritte bei der Lizenzierung von Sportwettenanbietern, sodass der gesamte Prozess mehr und mehr zur Hängepartie wird.

Problem mit ausländischen Lizenzen

Neben den Lizenzen aus Schleswig-Holstein arbeiten viele Anbieter mit Zulassungen aus Ländern wie Malta, Großbritannien und Gibraltar. Diese EU-Lizenzen berechtigen sie im Sinne der Dienstleistungsfreiheit, ihre Dienste auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten anzubieten. Da die Firmen jedoch über Niederlassungen außerhalb Deutschlands betrieben werden, zahlen sie keine Steuern an den Bund.

Auch die Politik ist sich der Problematik bewusst. Die FDP fordert daher ein Regulierungsmodell, nach dem Deutschland eigene Lizenzen vergibt, um so Kontrolle, Übersicht und vor allem Steuereinnahmen zu erhalten. Die Grünen sehen das Komplettverbot für Online-Glücksspiel ebenfalls kritisch und fordern strengere Kontrollen und bessere Schutzmechanismen für Spieler.

Experten beraten über Blockchain, Selbstsperren und Sportwetten

Forschungsstellenleiter Dr. Tilman Becker aus Hohenheim

Forschungsstellenleiter Dr. Tilman Becker (Bild: uni-hohenheim.de)

Die Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim bei Stuttgart ist eine deutschlandweit einzigartige Einrichtung. Nur hier beschäftigen sich Experten wissenschaftlich mit der Erforschung des deutschen Glücksspielmarkts. Aktuell findet das 15. Glücksspielsymposium Forschungsstelle statt. Zu dieser alljährlichen Veranstaltung sind Experten und Fachleute wie Juristen, Suchtforscher und Psychologen aus ganz Deutschland geladen.

Dieses Jahr stehen neben dem Regulierungsproblem und dem Kampf gegen den Schwarzmarkt außerdem die Themen Spielsuchtprävention, bundesweit greifende Selbstsperren für Spieler und das Vorgehen gegen Geldwäsche auf dem Programm. Hinzu kommen Gespräche über das Lotteriemonopol in Europa und Lizenzierungsmodelle für Sportwetten. Neue Technologien und Blockchain-Verfahren für den Bereich der Kryptowährungen werden ebenfalls diskutiert.