Sonntag, 28. April 2024

Webkonferenz zum Glücksspielwesen: Experten kritisieren Spielerschutzmaßnahmen im neuen GlüStV

Zwei Personen am Tisch

Suchtexperten und Glücksspielforscher haben am Freitag bei der Webkonferenz zum Glücksspielwesen mehrere Spielerschutzmaßnahmen kritisiert, die mit dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages am 1. Juli 2021 gelten sollen. Casinoonline.de war bei dem Gespräch dabei.

In der Diskussion zwischen Prof. Dr. Tilman Becker (Universität Hohenheim, Forschungsstelle Glücksspiel), Prof. Dr. Gerhard Bühringer (Arbeitsgruppe Abhängiges Verhalten, Risikoanalyse und Risikomanagement, Technische Universität Dresden) und Dr. Wolfgang Kursawe (Kölner Fachstelle Glücksspielsucht) wurde insbesondere die Wirksamkeit von Mindestabstandsregeln zwischen Spielhallen und die zeitliche Begrenzung von Glücksspielwerbung in Rundfunk und Internet in Zweifel gezogen.

Die wichtigsten Spielerschutzmaßnahmen im neuen GlüStV

  • Mindestabstände zwischen Spielhallen nach länderabhängigen Vorgaben.
  • Monatliche Einzahlungsgrenze in Höhe von 1.000 Euro für Online-Glücksspiele.
  • Werbeverbot in Rundfunk und Fernsehen für „virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele“ zwischen 6:00 und 21:00 Uhr. Einschränkung des Affiliate-Marketings.
  • Zentrales Sperrsystem für Problemspieler.

Mindestabstandsregeln auf dem Prüfstand

Die Ziele der Mindestabstandsregeln zwischen Spielhallen haben die Experten am Freitag kritisch gewürdigt. Diese seien einst eingeführt worden, um die Zahl der Spielhallen in Deutschland zu reduzieren und den Spielern damit die Möglichkeit zu bieten, sich durch die räumliche Distanz „abzukühlen“.

Dass die Regelungen auch in den neuen Glücksspielstaatsvertrag übernommen werden, wurde auf der Webkonferenz zum Glücksspielwesen aber nicht nur gelobt. Laut Wolfgang Kursawe von der Kölner Fachstelle Glücksspielsucht gäbe es bislang keine empirische Studie, die den positiven Effekt der Abstandsregeln belege.

Noch einen Schritt weiter ging Gerhard Bühringer von der TU Dresden. Er bezeichnete die Mindestabstandsregeln als unbrauchbares Mittel zum Spielerschutz. Demgegenüber betonten die Wissenschaftler die Früherkennung vulnerabler Spielergruppen sowie die Aufklärung von Verbrauchern.

Werberegelungen kaum durchsetzbar

Die Diskutanten hinterfragten auch die Wirkung der Werberegelungen im neuen Glücksspielstaatsvertrag. Besonders die zeitliche Limitierung der Glücksspielwerbung im Rundfunk und Internet sei praktisch nur schwer umzusetzen.

Tilman Becker von der Forschungsstelle Glücksspiel der Uni Hohenheim stellte in Frage, ob die neuen Regelungen eine hinreichende Handhabe lieferten, um das Influencer-Marketing für Glücksspiel nach den Regel des Staatsvertrages einzuschränken. Ihm sei noch nicht klar, wie die Glücksspielwerbung in Online-Streams- und YouTube-Videos auf die neuen Werbezeiten beschränkt werden könne.

Becker kritisierte gleichzeitig die Auffassung der Wirtschaft, Glücksspielwerbung könne der Kanalisierung von Spielwilligen in den legalen Markt dienen.

Diesen Kanalisierungs-Effekt hatte Dr. Andreas Blaue (Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien) am Vortag bei der Webkonferenz für Glücksspielwesen unterstrichen und die beabsichtigten Einschränkungen des Affiliate-Marketings kritisiert:

„Affiliate-Marketing im Bereich des Glücksspiels stellt sich vor allem darin dar, dass man Vergleiche (…) zwischen verschiedenen Anbietern, auch der Service-Qualität von Angeboten, den Spielerschutzkonzepten von Angeboten darstellt, und damit sogar eine Art Trichterfunktion hin zu legalen Angeboten ermöglichen kann.“

Eine solche Lenkwirkung bezweifelt Becker. Die Idee des spielwilligen Spielers sei eine Fiktion. Die Werbung diene dazu, neue Kunden für das Glücksspiel zu gewinnen.

Sperrsystem für Glücksspieler wird begrüßt

Ein geplantes Sperrsystem für Problemspieler haben die Diskussionsteilnehmer im Rahmen der Webkonferenz zum Glücksspielwesen positiv bewertet. Zwar bestünden Optimierungsmöglichkeiten, eine zentrale Umsetzung sei allerdings ein Fortschritt, so die Experten.

Ein wichtiges Instrument für den Spielerschutz bleibe jedoch die Eigenverantwortlichkeit der Spieler und die Gefahrenaufklärung. Dem Verbraucher müsse weiterhin die Möglichkeit zur Selbststeuerung eingeräumt werden.

Bis zum voraussichtlichen Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages dauert es noch knapp 10 Monate. In Anbetracht zahlreicher offener Fragen, sind weitere Diskussionen über die Ziele des neuen Regelwerks zu erwarten.