Donnerstag, 25. April 2024

Schwerer Schlag für die Glücksspielindustrie auf Gibraltar durch europäischen Generalanwalt

Gibraltar: Glücksspielindustrie vor dem Aus?

Gibraltar: Glücksspielindustrie vor dem Aus?

Gibraltar: Bedeutet eine Entscheidung des EGH das Aus für die Glücksspielindustrie auf „The Rock“? (Bildquelle)

Großbritannien und Gibraltar gelten in Bezug auf den Binnenmarkt als eine Einheit. Dies hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs befunden und damit der auf der Halbinsel ansässigen Glücksspielindustrie einen schweren Schlag versetzt. Streitpunkt ist die Verbrauchssteuer, die der britische Staat einfordert. Folgt der Europäische Gerichtshof der Entscheidung, könnte dies weitreichende Folgen für die Zukunft des britischen Überseegebiets haben, da Gibraltar gerne im europäischen Binnenmarkt verbleiben würde.

Glücksspielindustrie auf Gibraltar muss britische Steuern abführen

Seit 2014 fordert Großbritannien von Gibraltar eine Verbrauchssteuer, die sogenannte Point of Consumption Steuer, die als Teil des neuen Glücksspielgesetzes eingeführt wurde. Das neue Gesetz setzt bei der Regulierung nicht länger am Punkt der Versorgung (supply) an, sondern beim Verbrauch (consumption). Die Wirtschaft der Halbinsel besteht zum größten Teil aus Online Glücksspielunternehmen. Mit der neuen Verbrauchssteuer müssen alle britischen Glücksspielunternehmen, unabhängig von ihrem Standort, 15 Prozent ihrer Einnahmen von britischen Kunden an Steuern abführen. In einem knapp mehr als zwei Jahre andauernden Rechtsstreit fechten diese die Inlandsteuer an. Der Verband der Gibraltar Betting and Gaming Association (GBGA) vertritt die Glücksspielbranche vor Gericht, ist allerdings bereits vor dem obersten Gericht im Vereinigten Königreich gescheitert. Die GBGA hat argumentiert, dass die Besteuerung durch Großbritannien der Dienstleistungsfreiheit widerspreche, die zusammen mit dem freien Warenverkehr, der Personenfreizügigkeit und dem freien Kapital- und Zahlungsverkehr die vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarkts bildet.

Dieser Auffassung hat jetzt Maciej Szpunar, der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, widersprochen. In einer Stellungnahme des Gerichts heißt es:

„Der Generalanwalt ist der Auffassung, dass im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit Gibraltar und Großbritannien als eine Einheit zu betrachten sind.“

Daraus ergibt sich für Großbritannien das Recht, von Unternehmen und der Glücksspielindustrie auf Gibraltar eine Inlandsteuer zu erheben. Würde man Gibraltar und Großbritannien hingegen als zwei getrennte EU Mitgliedstaaten ansehen, würde das EU Recht verbieten, dass ein Staat den anderen besteuert und damit die vier Grundfreiheiten einschränkt. Die endgültige Entscheidung in diesem Vorgang liegt beim Europäischen Gerichtshof. Dieser ist nicht verpflichtet, der Empfehlung des Generalanwalts zu folgen, allerdings ist dies häufig der Fall.

Welche Konsequenzen hat das Urteil für Gibraltar?

Wenn die Gibraltar Betting and Gaming Association auch nach der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs unterliegt, könnte dies die Wirtschaft des britischen Überseegebiets an der Südspitze der Iberischen Halbinsel erheblich beeinträchtigen. Seit dem Brexit Volksentscheid sucht Gibraltar nach Wegen, im europäischen Binnenmarkt verbleiben zu können, obgleich Großbritannien den EU-Austritt vorbereitet.

Der Felsen Gibraltar steht seit 1704 unter der Souveränität des Vereinigten Königreichs. Spanien hat 1713 im Frieden von Utrecht das Gebiet offiziell abgetreten. Seitdem beansprucht jedoch Madrid das Territorium, das sich faktisch selbst verwaltet. Auf einer Fläche von rund 6,5 Quadratkilometern leben mehr als 32.000 Menschen. Online Glücksspiel und Finanzwesen bestimmen die florierende Wirtschaft Gibraltars. Ein eher lockeres Steuerwesen hat die Halbinsel in einen beliebten Firmensitz für internationale Glücksspielunternehmen verwandelt. Gibraltar beheimatet einige der größten Glücksspielbetriebe, die sich an britische Kunden richten.

Gibraltar Betting and Gaming Association widerspricht dem Generalanwalt

Nach eigener Aussage sieht die Gibraltar Betting and Gaming Association das Urteil des Generalanwalts als Rückschritt an. Großbritannien erhebt die Verbrauchssteuer bereits seit der Einführung im Jahr 2014 auf Gibraltar, und die Glücksspielindustrie hat die Kosten zum größten Teil getragen. Die GBGA unterstreicht noch einmal, dass nach Auffassung des Verbandes Gibraltar und Großbritannien als zwei separate Territorien zu betrachten seien, zwischen denen die Dienstleistungsfreiheit zu gelten habe. Der Verband zeigt sich enttäuscht und sieht die Verbrauchssteuer als unverhältnismäßige Einschränkung für Glücksspielunternehmen. Die Regierung Gibraltars hat die Entscheidung des Generalanwalts zwar zur Kenntnis genommen, will aber erst nach der endgültigen Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof eine Stellungnahme abgeben.

Gibraltar zittert vor dem Brexit

Zu dem Rechtsstreit um die Verbrauchssteuer gesellte sich am 23. Juni 2016 das Ergebnis der Brexit Volksabstimmung, die der Glücksspielbranche und allgemein der Wirtschaft Gibraltars Sorge bereiten. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU bedeutet auch das Austritt des Überseegebietes. Damit wäre die Grenze zu Spanien erst einmal geschlossen und die Freizügigkeit eingeschränkt. Außerdem könnten die auf der Halbinsel ansässigen Glücksspielunternehmen durch den Austritt Großbritanniens aus dem europäischen Binnenmarkt ihre Zulassungen für den EU Raum verlieren.

Gibraltars Regierungschef Picardo trifft sich mit Brexit Ausschuss

Das britische Brexit Komitee, das sich mit dem Austritt aus der Europäischen Union beschäftigt, will am 25. Januar 2017 den Regierungschef Gibraltars, Fabian Picardo, anhören. Der Stellvertretende Ministerpräsident Dr. Joseph Garcia und der Generalanwalt Michael Llamas werden ihn begleiten. Picardo äußerte sich wie folgt:

„Ich freue mich sehr, dass uns das Brexit Komitee eingeladen hat, Fragen vorzutragen, die für uns in Bezug auf den EU-Austritt von Bedeutung sind. Dies ist eine weitere und wichtige Gelegenheit, um sicherzustellen, dass Gibraltars Anliegen verstanden werden und im öffentlichen Bewusstsein Großbritanniens allgemein sowie in den Köpfen der britischen Parlamentarier im Besonderen präsent sind.“

Spanien hält Angebot der Gemeinsamen Souveränität aufrecht

Gleichzeitig mit der Entscheidung des europäischen Generalanwalts in Bezug auf Gibraltar hat Spanien erneut seine Ansprüche auf das Territorium bekundet. Seit dem 4. November 2016 ist Alfonso María Dastis Quecedo der neue spanische Minister für auswärtige Angelegenheiten. Er hält aber am Standpunkt seines Vorgängers, José Manuel García-Margallo fest: Am 19. Januar 2016 hat er Gibraltar erneut die Gemeinsame Souveränität angeboten, was er selbst als außerordentlich großzügig beschreibt:

„Wenn Gibraltar von den Rechten und Vorzügen einer EU-Mitgliedschaft profitieren will, ist unser Angebot einer Gemeinsamen Souveränität der beste Weg, was außerordentlich großzügig ist.“

Im Falle einer Ablehnung des Angebots, so gab Alfonso Dastis zu verstehen, müssten jegliche Beziehungen Gibraltars mit der EU erst durch eine Vereinbarung mit Spanien ratifiziert werden. Es bleibt also vorerst alles offen, was das Schicksal der Wirtschaft und Glücksspielindustrie Gibraltars angeht.