Samstag, 27. April 2024

Glücksspiel und Bordellbesuche: Mordprozess um „puff­begeistertes“ Trio in Gießen

Roter Raum Kussmund

Das Landgericht Gießen hat in dieser Woche die Verhandlung im Fall eines sogenannten Mordes ohne Leiche fortgesetzt. Die beiden Angeklagten sollen im Jahr 2016 einen gemeinsamen Freund entführt und getötet haben. Die sterblichen Überreste von Daniel M. konnten bis heute nicht gefunden werden. Vor der Tat hatte die drei Männer eine auf Glücksspiel und Bordellbesuchen basierende Freundschaft verbunden.

Verbindende Hobbies

In Ermangelung forensischer Beweise wird sich das Landgericht Gießen in dem seit April laufenden Prozess in weiten Teilen auf Indizien verlassen müssen. Hierzu gehören auch die Angaben der beiden Beschuldigten.

Medienangaben zufolge sollen sich die Männer in den Vernehmungen zuvor gegenseitig belastet haben. Vor Gericht hat sich bislang nur einer der beiden, ein 44-jähriger Mathe- und Physiklehrer, eingelassen.

Der alleinlebende Mann erklärte, das Opfer (†39) in Jugendtagen und den Mitangeklagten (40) im Studium kennengelernt zu haben. Sie seien „drei Swingerclub- und Puffbegeisterte“ gewesen, hätten viel Zeit miteinander verbracht:

Wir hatten gemeinsame Hobbys. Roulette und Swingerclubs.

Er selbst, so der Medienangaben zufolge unter seinen Schülern sehr beliebte Studienrat, habe in erster Linie aus „mathematischem Interesse“ am Glücksspiel teilgenommen. Süchtig sei er nicht gewesen und auch finanziell sei es ihm stets gut gegangen.

Nur während eines krankheitsbedingten Engpasses habe er Kredite aufgenommen. Statt in den Urlaub zu fliegen, habe er sich von dem Geld „ein bisschen Sex gegönnt“.

„Ein hartnäckiger Psychopath“

Im Gegensatz zu ihm habe sein Mitangeklagter bereits seit Jahren obsessiv darüber fantasiert, durch kriminelle Aktivitäten ans große Geld zu gelangen. Die Gedankenspiele hätten dabei auch immer wieder Entführungen mit Lösegeldforderungen beinhaltet.

Der Version des Lehrers zufolge dürfte der Versuch eines solchen Kidnappings dem Tod von Daniel M. vorangegangen sein. So habe sich das Trio am Tattag, dem 17. November 2016, gemeinsam ein Gehöft angesehen, auf dem die beiden anderen einen Swinger-Club hätten eröffnen wollen. Für ihn selbst sei eine Beteiligung aufgrund seines Beamtenstatus nicht in Frage gekommen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern Mord und erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge vor. Für den Prozess sind rund zwei Dutzend Verhandlungstage angesetzt. Neben 75 Zeugen sollen sieben Sachverständige gehört werden.

Zurück im Wagen habe er mitbekommen, wie Robert S. dem Freund in den Kopf geschossen habe. Aus Angst, ebenfalls getötet zu werden, habe der Studienrat danach beim Verstecken der Leiche und der Säuberung des Wagens geholfen.

In den folgenden Jahren habe er in panischer Angst vor dem “hartnäckigen Psychopathen und Sadisten“ gelebt, mit dem er trotz allem weiterhin in Kontakt gestanden habe. Im Mai 2020 habe dieser ihm aufgelauert und ihn bedroht. Erst da habe er sich dazu durchringen können, das Geschehene bei der Polizei zu melden. Beide Männer kamen daraufhin in Gewahrsam. Bis zu diesem Zeitpunkt galt Daniel M. offiziell lediglich als „vermisst“. Die Suche nach seinen sterblichen Überresten dauert an.