Freitag, 26. April 2024

Glücksspiel in Deutschland – Der holprige Weg zum neuen Glücksspiel­staatsvertrag 2021

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Das Glücksspiel ist schon lange eine Leidenschaft der Deutschen. Bereits im 18. Jahrhundert wurden in Deutschland die ersten Spielbanken eröffnet, die bis heute beliebte Anziehungspunkte für Spieler sind. Doch mit der flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets sind auch Online-Glücksspiele in der Bundesrepublik seit Ende der 1990er immer populärer geworden.

Spielchips auf Laptop

Der Bedarf an Online-Casinos ist gewachsen. (Quelle: pxfuel)

Trotz der wachsenden Beliebtheit verblieb das Online-Glücksspiel in Deutschland aber weitestgehend in einer rechtlichen Grauzone. Ausländische Anbieter stellen ihre Spiele zwar seit Jahren mit internationalen Lizenzen deutschen Kunden zur Verfügung, völlige Rechtssicherheit gab es für Spieler und Unternehmen aber zu keinem Zeitpunkt.

Die Glücksspielbranche in Deutschland sieht sich daher seit langem vor große Herausforderungen gestellt. Immer wieder mussten neue rechtliche Rahmenbedingungen gefunden werden.

Über den Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland aus dem Jahre 2004 bis hin zum neuen Entwurf zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens (GlüStV) 2021 haben die Bundesländer mehrere Male versucht, einheitliche Regelungen zu schaffen, die im Spannungsfeld zwischen staatlichem Monopol, Spielerschutz und der Liberalisierung des Glücksspielmarktes lagen.

Casinoonline.de bietet einen Überblick über die Ziele, Aufgaben und Herausforderungen der Gesetzgebung seit 2004.

Juli 2004 – Der Lotteriestaatsvertrag tritt in Kraft

Der Lotteriestaatsvertrag oder „Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland“ trat am 1. Juli 2004 in Kraft und vereinheitlichte die bis dahin unterschiedlichen Bestimmungen für das Glücksspiel, insbesondere für die Lotterien.

Ein Lottoschein

Auch für das Lotto wurden neue Regeln aufgestellt. (Quelle: Pixabay)

Das Glücksspiel war bis zu diesem Zeitpunkt von der Marktherrschaft des Staates geprägt, der Lotterien, Sportwetten und Spielbanken unter seinem Monopol erlaubte.

Anlass zur Vereinheitlichung gab laut Staatsvertrag eine „neuere Rechtsprechung zur Zulassung privater Lotterien“. Diese durften nach dem neuen Lotteriestaatsvertrag mit behördlicher Genehmigung auch von privaten Veranstaltern angeboten werden.

Die Aufgabe der Neuordnung des Rechts bestand darin, den „natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern.“ Gleichzeitig war es den Ländern darum gegangen, „ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.“

Der unvermeidbare Boom des Online-Glücksspiels in Deutschland

Darüber was jedoch ein „ausreichendes Glücksspielangebot“ darstellt, waren sich Staat, Anbieter und Spieler keinesfalls einig. Bereits zu Beginn des Jahrzehnts bahnte sich international ein regelrechter Boom des Online-Glücksspiels an. Online-Casinos begannen, wie Pilze aus dem Boden zu schießen und Länder wie Malta und (ab 2005) Großbritannien stellten die entsprechenden Lizenzen aus.

Auch Spieler aus Deutschland entwickelten eine Vorliebe für das Glücksspiel im Internet. Der Deutsche Buchmacherverband hatte die Umsätze durch Online-Wetten im Jahre 2005 auf 1,36 Milliarden Euro beziffert. Zur gleichen Zeit wuchs das Interesse der Deutschen am Online-Poker.

Pokerspieler mit Karten

Poker ist offline und online populärer geworden. (Quelle: Pixabay)

Zugeschrieben wurde dies vor allem dem US-Amateurspieler Chris Moneymaker, der 2003 die World Series of Poker gewann. Die Rede ist daher vom sogenannten „Moneymaker-Effekt“.

Dieser hatte zur Folge, dass der Umsatz des Online-Casino-Marktes inklusive Online-Poker im Jahre 2006 auf bis zu 2,1 Milliarden Euro geschätzt wurde.

Das im Lotteriestaatsvertrag formulierte Ziel, den „Spieltrieb der Bevölkerung“ zu lenken, wurde somit verfehlt, da die neuen Spielformen nicht reguliert wurden.

Januar 2008 – Erster Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland

Ein weiterer Versuch, das Glücksspiel in Deutschland einheitlich zu regulieren, erfolgte 2008. Der Entwurf des ersten Staatsvertrages zum Glücksspielwesen wurde von den 16 Ministerpräsidenten der Länder am 14. Dezember 2006 unterzeichnet und trat am 1. Januar 2008 in Kraft.

Darin wurde definiert, dass ein Glücksspiel vorliegt, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.“ Der Staatsvertrag verfolgte mehrere konkrete Ziele:

1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen,

2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubt Glücksspiele zu verhindern,

3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,

4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden.

Hintergrund des Glücksspielstaatsvertrages war ein Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom März 2006, dass das staatliche Monopol von Sportwetten als verfassungswidrig erachtete und den Gesetzgeber aufforderte, Sportwetten in Deutschland neu zu regeln. Zu einer Liberalisierung des Sportwettenmarktes kam es jedoch nicht. Vielmehr festigte der Staat das Monopol für Vermittlung, Veranstaltung und Durchführung der Sportwetten.

Im Rahmen des ersten Glücksspielstaatsvertrages wurde darüber hinaus ein weitgehendes Verbot für Glücksspielwerbung im Fernsehen und im Internet beschlossen. Zudem wurde ein Verbot für das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet bestimmt.

Juli 2012 – Erster Staatsvertrag zur Änderung des GlüStV

Im Dezember 2011 unterzeichneten 15 Bundesländer dann den ersten Staatsvertrag zur Änderung des GlüStV, der am 1. Juli 2012 in Kraft trat. Nur ein Land erklärte sich mit dem Vertragsentwurf unzufrieden und verweigerte seine Zustimmung: Schleswig-Holstein. Die damalige Regierungskoalition aus CDU und FDP erachtete den Vertrag als zu restriktiv. Dem Land war bereits damals daran gelegen, Online-Casinos zu legalisieren.

Online-Glücksspiel: Schleswig-Holstein beschreitet Sonderweg

Statt die Änderung zum Staatsvertrag zu unterschreiben, verabschiedete das Land Schleswig-Holstein im Dezember 2011 das Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels, das am 1. Januar 2012 Gültigkeit erlangte. Die Regelung sah in Schleswig-Holstein die Lizenzvergabe für private Anbieter von Online-Casino-Spielen und Sportwetten vor. Durch die effiziente Regulierung der Anbieter erhoffte sich das Land neue Steuereinnahmen aus dem Online-Glücksspiel sowie eine Verbesserung des Spielerschutzes. Im Dezember 2012 stellte Schleswig-Holstein die ersten Online-Glücksspiel-Lizenzen aus. Diese sollten für sechs Jahre gültig sein.

Hintergrund des ersten Staatsvertrags zur Änderung des GlüStV war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2010, dass das Glücksspielmonopol als Verletzung der EU-Dienstfreiheit ansah.

Der EuGH kritisierte darin die Werbung der staatlichen Anbieter, die dem Ziel der Suchtprävention zuwidergelaufen sei. Auch die deutsche Glücksspielpolitik geriet dabei in den Fokus. Sie sei bezüglich der weitgehenden Erlaubnis von privaten Automatenspielen und dem gleichzeitigen Staatsmonopol für Sportwetten inkohärent gewesen.

In der Folge einigten sich die Länder auf eine siebenjährige „Experimentierklausel für Sportwetten“. Diese führte zu mehreren Veränderungen:

  • Es sollten erstmals Sportwettenkonzessionen an private Anbieter vergeben werden. Die Zahl wurde zunächst auf 20 festgelegt.
  • Betreiber von Spielautomaten sahen sich mit neuen Beschränkungen konfrontiert, z.B. einem Mindestabstand zwischen Spielhallen.
  • Die Richtlinien für Glücksspielwerbung wurden erweitert und verschärft.
  • Das Verbot von Online-Casinos und Online-Poker wurde bestätigt.

Mit der Konzessionierung von Online-Sportwetten bei parallelem Verbot von Online-Casinospielen ergab sich jedoch ein neues Problem. Da viele Online-Glücksspiel-Anbieter sowohl Sportwetten als auch Casinospiele betrieben, verschwammen die Grenzen zusehends.

Dies stellt seither auch ein Problem für etwaige Werbepartner der Sportwetten-Anbieter dar. So wurde beispielsweise deutschen Fußballclubs unter dem Stichwort Dachmarkenwerbung vorgeworfen, über ihre Sponsorenverträge automatisch für „illegale Online-Casinos“ zu werben.

Januar 2013 – Schleswig-Holstein beendet Sonderweg

In der Zwischenzeit kam es im Landtag Schleswig-Holstein infolge der Landtagswahlen im Mai 2012 zu einem Regierungswechsel. Die neue Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW stellte die von CDU und FDP zugesicherten Online-Glücksspiel-Lizenzen zwar noch aus, aber trat im Januar 2013 dem Ersten GlüÄndStV bei und beendete damit den Sonderweg des Landes. Die bereits vergebenen Lizenzen sollten jedoch gültig bleiben.

2015 – Der Änderungs-Staatsvertrag scheitert

Der Erste Staatsvertrag zur Änderung des GlüStV begann im Mai 2015 zu scheitern. Nach der Klage eines Bewerbers, der die Vergabepraktiken für die Sportwettenkonzessionen moniert hatte, stoppte das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Vergabeprozess. Bestätigt wurde der Verfahrenstopp auch vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel.

In der Folge mussten in Deutschland vorrübergehend alle Online-Sportwetten-Anbieter geduldet werden. Erst der 3. Glücksspielstaatsvertrag sollte diesem Zustand später erneut Abhilfe schaffen.

März 2017 – Zweiter Staatsvertrag zur Änderung des GlüStV scheitert ebenfalls

Im März 2017 einigten sich die Länder auf den zweiten Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel war, die Begrenzung der Zahl der Sportwettenkonzessionen aufzuheben und den sich im Vergabeprozess befindlichen Anbietern Erlaubnisse zu erteilen.

Um den zweiten Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag in Kraft treten zu lassen, war die Zustimmung der 16 Landesparlamente notwendig. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen stellten sich dagegen quer. Kritisiert wurde, dass das neue Regelwerk zwar Sportwettenanbieter legalisieren würde, aber noch immer keine Online-Casinos. Damit war auch der zweite Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag gescheitert.

Flagge Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein bevorzugte eine liberale Glücksspielregulierung. (Quelle: Pixabay)

Schleswig-Holstein hatte somit aus demselben Grund wie bereits im Jahr 2011 dem vorliegenden Vertragsentwurf nicht zugestimmt. Für das Land hätte der zweite Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag einen großen Rückschritt bedeutet.

Die 2012 ausgestellten Online-Glückspiel-Lizenzen waren zu jenem Zeitpunkt noch gültig.

Die ersten liefen im Dezember 2018 aus, weitere folgten im Januar 2019. Einige der betroffenen Online-Casinos stellten daraufhin ihren Betrieb in Deutschland ein. Andere operierten unter Berufung auf die EU-Dienstleistungsfreiheit auch weiterhin in Deutschland.

Januar 2020 – Dritte Änderung des Glücksspielstaatsvertrags bringt Neuerung für Sportwetten

Der dritte Staatsvertrag zur Änderung des GlüStV vom März/April 2019 erlangte am 1. Januar 2020 Rechtskraft. Er war als Lösung für eine Pattsituation angelegt, in der das Vergabeverfahren von Sportwettenkonzessionen stagnierte und gleichzeitig „eine fortschreitende Erosion des Ordnungsrechts“ stattfand. Trotz Verbots nahmen Verbraucher weiterhin an unerlaubten Angeboten teil.

Durch den Änderungs-Staatsvertrag wurde die Experimentierphase für Sportwetten zum einen bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Zum anderen wurde die Kontingentierung von Sportwettenlizenzen ausgesetzt, was dazu führte, dass die Erteilung von Konzessionen an Sportwettenbetreiber für die gesamte Dauer rechtlich möglich wurde. Gleichzeit wurde den Glücksspielaufsichtsbehörden dadurch „der Weg zur flächendeckenden Untersagung nicht erlaubter Angebote eröffnet“.

Das Land Hessen erinnerte Anfang 2020 daran, dass die bisherige Duldung der Sportwetten-Anbieter nun nicht mehr gelte. Die Anbieter wurden aufgerufen, sich um eine Konzession zu bewerben, andernfalls würden sie illegal arbeiten.

März 2020 – Entwurf zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens

Der Entwurf zum Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens wurde im März 2020 von den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen und soll am 1. Juli 2020 in Kraft treten. Hintergrund des neuen Regelwerks ist die Ausbreitung des unregulierten Glücksspiels im Internet.

Person am PC

Auf Nutzer von Online-Casinos kommen neue Regeln zu. (Quelle: Pixabay)

Trotz des bestehenden Online-Casino-Verbots habe sich „ein Schwarzmarkt im Internet gebildet, auf dem virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele angeboten und von Spielern nachgefragt werden“, heißt es in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021.

Dieser Situation setzt der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens jetzt eine Liberalisierung des Marktes entgegen.

Sollte der neue Staatsvertrag von den Ländern ratifiziert werden, könnten Online-Poker und Online-Casino-Spiele bald unter strengen Vorgaben zum Spielerschutz legal werden.

Bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2021 gilt eine Übergangsphase, in der Anbieter schon jetzt straffrei in Deutschland operieren dürfen, wenn sie notwendige Maßnahmen zum Spielerschutz umsetzen.