Dienstag, 08. Oktober 2024

Addiction by Design: Manipulieren Glücksspiel­firmen die Spieler?

Gonzos Quest Spiel|Spielautomat

In dieser Woche fand das Symposium Glücksspiel statt, von dem die Casinoonline.de News-Redaktion live berichtete. Am Mittwoch wurden dort Methoden vorgestellt, mit denen die Glücksspielbranche Einfluss auf das Verhalten von Spielern zu nehmen scheint.

Prof. Dr. Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel, verglich das Verhalten der Spieler mit dem eines Pawlowschen Hundes. Aufgrund ihrer Konditionierung reagierten sie mit einem antrainierten Verhalten auf die vom Glücksspiel ausgelösten Reize. Die Hersteller förderten diese pathologische Reaktion durch ein „Addiction by Design“ von sowohl terrestrischen als auch Online-Spielautomaten.

Die Designtricks der Hersteller

Spielautomat

Die Kritik richtet sich auch an physische Spielautomaten (Bild: Pixabay)

Die Automaten und ihre Benutzeroberflächen würden derart gestaltet und mit Eigenschaften versehen, um zur gewünschten Konditionierung der Spieler zu führen. Dazu zählten Buttons, die zum Klicken animierten und die ein bequemes Spiel ermöglichten. Man wolle für Spieler mithilfe des Designs eine Situation schaffen, in der ihnen die Entscheidung zum weiterspielen leichtgemacht werde.

Darüber hinaus sei es laut Becker das Ziel , beim Spieler das Gefühl zu erzeugen, er könne das Spielergebnis kontrollieren. Zudem werde bei den Spielautomaten modernste Technik eingesetzt, um tatsächlich erlittene Verluste durch kleinere Gewinne zu verschleiern.

Um die subtile Beeinflussung der Spieler drehte sich auch der Vortrag von Prof. Dr. Lucia Reisch, Konsumforscherin an der Copenhagen Business School, in dem sie die von der Glücksspielbranche eingesetzten Verhaltensstimuli aufdeckte. Bei diesen „dark patterns and dark nudges“ (dunkle Muster und dunkle Stupser) handele es sich um irreführende Designtricks, die geeignet seien, die Verhaltensautonomie der Spieler zu manipulieren.

In einer Glücksspielstudie der Forscherin Alice Martina seien diese Stimuli treffend beschrieben:

Benutzeroberflächenelemente und technische Tricks, gestaltet, um Verbraucher/Spieler zu Handlungen zu verlocken, die sie normalerweise nicht tun würden.

Die Anbieter setzten auf verschiedene Techniken, um Spieler zu benachteiligen. Demnach sorgten spielerfreundliche Designs von Touchscreens und animierende Sounds dafür, dass Spieler rasch den Überblick verlören. Dazu bewirkten beworbene Jackpots und verschleierte Auszahlungsfaktoren, dass die Betroffenen ihre Chancen falsch einschätzen.

Außerdem führe eine zunehmende Komplexität der Games zu einer Informationsasymmetrie zuungunsten der Spieler. Auch dies habe die Folge, dass sie beim Glücksspiel mehr Geld ausgäben, als sie eigentlich bereit seien.

Wer besonders gefährdet ist

Neben der Gestaltung der Spielautomaten identifizierten die Forscher die durch das Online-Spiel massiv gesteigerte Verfügbarkeit sowie die Werbung als Risikoquellen für Spielsucht. Insbesondere Letztere trage zur Gefährdung von Spielern aller Altersgruppen bei.

In einem Betrag widmete sich Dr. Tobias Hayer von der Universität Bremen den Risikogruppen. Besonders anfällig seien junge Männer mit niedrigem Bildungsniveau, geringem Einkommen und Migrationshintergrund. Arbeitslosigkeit und bereits bestehende Glücksspielprobleme bei Familienmitgliedern seien weitere Faktoren. Nicht-repräsentative Studien hätten zudem ergeben, dass Strafgegangene, Spielhallenbeschäftigte und Mitglieder von Sportvereinen besonders anfällig für die Verlockungen des Glücksspiels seien. Bei Letzteren seien es Sportwetten, von denen die Sportler annähmen, aufgrund ihres Wissens höhere Gewinnchancen zu besitzen.

Dr. Tobias Hayer zufolge glorifiziere und verharmlose das Marketing der Anbieter die Wirkung des Glücksspiels. Dem pflichtete Holger Urbainczyk vom Baden‐Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation bei.

Er kritisierte zudem die Rolle von Prominenten wie Oliver Kahn oder Scooter-Frontmann H.P. Baxxter, die durch ihre Wirkung gerade Jugendliche beeinflussten. Es sei traurig, dass diese Persönlichkeiten über die Folgen ihres Tuns offensichtlich nicht ausreichend nachgedacht hätten.

Die präsentierten Ergebnisse der Wissenschaftler zeigten die mögliche Gefahr, die von Spielautomaten ausgehen kann. Gleichzeitig wiesen die Forscher jedoch ebenfalls darauf hin, dass weitere Studien nötig seien, um ihre Annahmen zu untermauern.