Samstag, 20. April 2024

Gaming Disorder als Krankheit anerkannt: Mehr Hilfe für Betroffene in Südtirol

Hand laesst Controller fallen Südtirol erleichtert den Zugang zu Hilfsangeboten bei Gaming Disorder (Quelle:unsplash.com/Lucas Ortiz)

Die Landesregierung von Südtirol hat die Computerspielsucht gestern offiziell als Suchtform anerkannt. Die Feststellung, dass es sich bei der Gaming Disorder um eine Krankheit wie das pathologische Glücksspiel handelt, öffnet Betroffenen die Türen zu mehr staatlicher Unterstützung als bislang.

Gaming Disorder offiziell pathologisch

Wie die Pressestelle der Südtiroler Landesregierung gestern mitteilte, sollen Bozener, deren Gaming außer Kontrolle geraten sei, künftig mehr Hilfe vom Land erhalten. Die offizielle Klassifizierung als Suchtform sei Voraussetzung für die Behandlung Betroffener in sogenannter Ticketbefreiung. Dies bedeutet, dass für Hilfesuchende bislang geltende Selbstkosten-Beteiligungen (Tickets) entfallen.

Thomas Widmann, Gesundheitslandesrat von Südtirol, erklärt hierzu im Statement:

Die Nachfrage von Hilfe suchenden Betroffenen und deren Familien steigt und betrifft insbesondere jüngere Generationen: Um sie unterstützen zu können, haben wir diese Form der Spielstörung offiziell als Pathologie anerkannt und als Extra-LEA eingeordnet - also als Gesundheitsleistung, für die das Land aufkommt. Damit gehen wir über die staatlich vorgesehenen Mindestleistungen hinaus.

Zur Diagnose der Gaming Disorder würden neun Indikatoren herangezogen. Bei Vorliegen und Wiederholung von mindestens fünf der Suchtanzeichen werde das Spiel als pathologisch klassifiziert.

Bei den untersuchten Symptomen handele es sich um „Computerspielnutzung als dominierende Beschäftigung, Entzugssymptome bei Konsumverhinderung, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Interessenverlust, Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen, Verheimlichung des Nutzungsausmaßes, Emotionsregulation durch die Computerspielnutzung, Gefährdung wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen“.

Südtirol stärkt Hilfsprojekt

Neben der offiziellen Einordnung der Gaming Disorder als Krankheit brachte die Landesregierung auch ein Finanzierungssystem für spezifische Hilfsangebote auf den Weg. So erkannte sie ein Pilotprojekt des lokalen Suchthilfevereins HANDS-Onlus an, das sich seit 2018 explizit als Anlaufstelle für Suchtverhalten bei Jugendlichen und Heranwachsenden versteht.

Das Projekt YoungHands richtet sich an Betroffene zwischen 12 und 25 Jahren sowie deren Umfeld. Es bietet explizit Hilfe bei „Suchtphänomenen, welche besonders die europäischen jungen Generationen betreffen“. Hierunter zählen die Verantwortlichen unter anderem die Themenbereiche Glücksspiel, Gaming und Social-Media-Nutzung.

Im Jahr 2019 verabschiedete die WHO die elfte Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11). Hierin wird erstmals auch die Gaming Disorder offiziell als Krankheit anerkannt. Damit ist in Deutschland bei Behandlung eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse möglich.

Kliniken bieten teilweise spezifische Sprechstunden für Betroffene der Gaming Disorder an. Diese geht in den meisten Fällen mit weiteren psychischen Beschwerden wie Depressionen und/oder Angststörungen einher.

Die Behandlung der Video- und Computerspielsucht umfasst meist kognitiv-verhaltenstherapeutische Zugänge. Teils wird die Arbeit medikamentös unterstützt.

Laut Südtiroler Landesregierung hätten sich die erbrachten Leistungen im Kontext von Verhaltenssüchten in der Provinz im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Rund die Hälfte aller Anträge sei auf verschiedene Online-Süchte entfallen. Wie sich die Zahlen nach der nun entschiedenen Anerkennung der Gaming Disorder als Krankheit entwickeln werden, bleibt zu beobachten.