Montag, 09. Dezember 2024

Illegales Online-Glücksspiel – Verschenkte Einnahmen und fehlender Spielerschutz

Mann mit Smartphone im Bett||

Online-Glücksspiel ist in Deutschland verboten, abgesehen von wenigen Ausnahmen. Trotzdem erwirtschaften die Betreiber von Internet-Casinos mit deutschen Spielern jährlich rund zwei Milliarden Euro. Vorbei am Fiskus und ohne staatliche Kontrolle. Nun mehren sich Stimmen, die von der Politik vernünftige und zukunftsfähige Lösungen fordern.

Der Verzicht auf Steuereinnahmen in Milliardenhöhe und nicht existenter Spielerschutz: In einem Beitrag des ARD-Magazins Plusminus stand am Mittwoch der Umgang des deutschen Staates mit dem Thema Online-Casinos auf dem Prüfstand.

Einheitliche Regelung: Deutschland tut sich schwer

In 15 von 16 deutschen Bundesländern ist das Online-Glücksspiel nicht erlaubt. Nur Schleswig-Holstein wählte 2012 einen Sonderweg und entschied sich in einem Pilotprojekt dazu, eigenständig Lizenzen für den Betrieb von Online-Casinos zu vergeben.

In der Konsequenz bedeutet das: Wer nicht in Schleswig-Holstein lebt und seine Einsätze in einem dort lizenzierten Online-Casino platziert, hat es als deutscher Spieler immer mit illegalem Glücksspiel zu tun, wenn er Fortuna im Netz gegen Geld herausfordert.

Lizenzen aus dem Ausland

Abgesehen von den wenigen schleswig-holsteinischen Ausnahmen fahren die meisten auf den deutschen Markt abzielenden Online-Casinos unter den Flaggen von Ländern wie Malta, Gibraltar, Großbritannien oder der Isle of Man.

In diesen Ländern werden Lizenzen großzügig vergeben, die von den Betreibern zu entrichtenden Abgaben sind geringer, kommen den Staaten aber dennoch zugute. So machen die Einnahmen aus dem Glücksspielgeschäft in Malta mit beispielsweise mit 12 % des Bruttoinlandproduktes ein Vielfaches des europäischen Durchschnitts aus.

Der Anschein der Legalität

Trotz der fehlenden Lizenzen fühlen sich die Anbieter auf dem deutschen Markt so sicher, dass sie offensiv um neue Kunden werben. Selbst im Fernsehen locken Werbeclips potenzielle Spieler und vermitteln den Eindruck, es handle sich um völlig legale Vorgänge.

Prof. Dr. Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel Uni Hohenheim, erklärt, warum dies beim Zuschauer schnell zu einem falschen Eindruck führen kann:

Das Problem ist halt, dass, wenn ein Normalbürger Werbung für Online-Casinos oder für andere illegale Glücksspielangebote im Fernsehen sieht, er dann natürlich denkt, dass das legal ist. Und ihm dann klar zu machen, dass das illegal ist, ist schwierig. Weil er hat ja noch keine Werbung für Kokain im Fernsehen gesehen oder für Heroin. Deswegen muss er davon ausgehen, dass, was im Fernsehen beworben wird, ja wohl legal sein muss.

Neben den negativen Folgen, die das Glücksspielchaos für den deutschen Staat hat, ist es in erster Linie der Bürger, für den das offensive Gebaren der nicht-lizensierten Online-Betreiber zur Gefahr werden kann.

Kontrollverlust beim Spiel am heimischen Computer

Ilona Füchtenschneider, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht, weiß, warum das Spiel in Online-Casinos für Spieler besonders viele Risiken birgt:

Sie müssen nirgendwo hingehen. (…) Sie können im Bademantel unter Drogeneinfluss oder im Schlafanzug betrunken rund um die Uhr spielen.

Trotz klarer Regelungen entsteht der Eindruck, dass der Staat die Herausforderungen, die das Glücksspiel im Internet betreffen, nicht entschlossen genug angeht.

Ilona Füchtenschneider, Vorsitzende Fachverband Glücksspielsucht e.V

Ilona Füchtenschneider, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. (Quelle:nw.de)

Expertin Füchtenschneider sieht einen der Gründe hierfür in der ihrer Meinung nach viel zu dünnen Personaldecke der Glücksspielaufsicht. Während große Onlineanbieter breit aufgestellt seien und im Ernstfall hochbezahlte Kanzleien an den Start brächten, habe der deutsche Staat schlichtweg nicht die Manpower, um konsequent gegen die Betreiber von illegalem Online-Glücksspiel vorzugehen.

Staat übernimmt keine Verantwortung

Das Problem: Während der Staat sich durch sein rigoroses Verbot des Online-Glücksspiels selbst um Steuereinnahmen in Milliardenhöhe bringt, entledigt er sich auch der Verantwortung im Bereich des Spielerschutzes.

Was verboten ist, kann nicht auf seine Seriosität geprüft werden, durchgesetzt wird das Verbot aber auch nicht. So tummeln sich auf dem deutschen Markt unzählige Anbieter. Abgesehen von den schleswig-holsteinischen Ausnahmen, ist der Spieler darauf angewiesen, sich selbst in Bezug auf die Seriosität des Angebots kundig zu machen.

Regulierung statt Kriminalisierung

Im Gegensatz zum unregulierten, weil per se kriminalisierten deutschen Markt, setzen andere europäische Länder bereits seit Jahren unterschiedliche tragfähige Konzepte zum Umgang mit Online-Casinos um.

Diese reichen vom staatlichen Monopol auf Online-Glücksspiele bis zur Privatisierung des Marktes, wie von Frankreichs Präsident Macron angedacht. Bei allen Unterschieden ist ihnen aber eines gemein: Der Staat spielt eine aktive Rolle und ist bemüht, betrügerische Umtriebe zu stoppen.

In Großbritannien, das als einer der bestregulierten Glücksspielmärkte weltweit gilt, werden Lizenzen unter strengen Auflagen von einer nationalen Aufsichtsbehörde vergeben. Auch in der Folge werden die Anbieter streng überwacht: Wer die Richtlinien zu Transparenz und Spielerschutz nicht einhält, hat mit empfindlichen Strafen zu rechnen.

Illegalen Anbietern künftig die Finanzflüsse kappen

Ob reguliert oder nicht, ein wichtiges Instrument im Umgang mit Glücksspielanbietern ohne gültige Lizenz könnte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sein. Sie untersteht dem Finanzministerium und beaufsichtigt und kontrolliert das gesamte deutsche Finanzwesen inklusive der deutschen Banken.

Verstoßen Online-Casinos am deutschen Markt derzeit gegen geltendes Recht, ist es Banken klar untersagt, Geld an diese weiterzuleiten.

Mit dem Bekanntwerden des Steuerskandals durch die Veröffentlichung der sogenannten „Paradise Papers“ im November 2017 gerieten mehrere deutsche Banken in den Verdacht, durch Geschäfte mit illegalen Online-Casinos systematisch gegen deutsche Gesetze zu verstoßen.

Laut den Enthüllungen eines internationalen Rechercheverbundes nahmen die Geldhäuser wissentlich und gezielt Gelder für unerlaubte Glücksspielangebote entgegen bzw. führten Konten für Offshore-Glücksspielanbieter, über die die Auszahlungen an Kunden abgewickelt wurden.

Finanz- und Strafrechtsexperten hatten daraufhin die Einschätzung abgegeben, der Straftatbestand der Geldwäsche könne ebenso erfüllt sein, wie der der Beihilfe zur Veranstaltung von unerlaubtem Glücksspiel.

Ins Visier geraten waren u.a. Postbank, Hypovereinsbank und Wirecard Bank.

Um einzugreifen, müsste die BaFin allerdings Kenntnis solcher Geldflüsse haben. Nach schriftlicher Stellungnahme gegenüber Plusminus ist dies derzeit allerdings nicht der Fall:

Der BaFin liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, dass deutsche Banken Geschäftsbeziehungen zu Anbietern von unerlaubtem Online-Glücksspiel führen

Auch die Banken selbst sehen sich nicht in der Verantwortung. Laut Stellungnahme mangele es an technisch praktikablen Lösungen, um Zahlungsflüsse im Online-Glücksspiel effektiv zu unterbinden.

Whitelisting als Kontrollinstanz

Dr. Jan-Philipp Rock, Richter am Landgericht Hamburg widerspricht: Es sei für Banken ein Leichtes, eine Whitelist einzurichten, also eine Auflistung der wenigen legitimierten Anbieter. Auf diese Art seien die illegalen leicht zu identifizieren.

Bundesländer im Zugzwang

Wenn sich die Ministerpräsidenten der Länder im Herbst zur Konferenz treffen, wird auch das Thema Online-Glücksspiel erneut auf der Agenda stehen. Die schleswig-holsteinischen Lizenzen laufen am Jahresende aus, wie es weitergehen soll, ist bisher nicht geklärt.