Samstag, 14. Dezember 2024

Staats­anwaltschaft gibt nicht auf: Kein Ende der Sommermärchen-Affäre in Sicht

Aktenstapel|Public Viewing 2006

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft will die Fußballfunktionäre Zwanziger, Niersbach und Schmidt wegen Steuerhinterziehung vor Gericht sehen und wendet sich nach Ablehnung der Klage durch das Landgericht an die nächsthöhere Instanz. Ein Ende der Sommermärchen-Affäre ist nicht in Sicht.

Während sich Fans und Funktionäre über den Zuschlag für Deutschland als Austragungsort für die Fußball-Europameisterschaft 2024 freuen, sorgt das letzte „Sommermärchen“, die WM 2006 in Deutschland, noch immer für Unruhe. Steuerhinterziehung, Korruption, dubiose Geldflüsse aus der Schweiz nach Katar – nach wie vor liegen die Vorgänge rund um die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft im Dunkeln.

Vom 9. Juni bis 9.Juli 2006 fand die 18. Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ sahen sich 3.359.439 Zuschauer aus aller Welt die 46 Spiele des Turniers live in einem der zwölf WM-Stadien an.

In ihrem Abschlussbericht zog die Bundesregierung ein durchweg positives Fazit: Das Turnier habe das Wachstum in Deutschland angeschoben, insbesondere im Einzelhandel und Gastgewerbe habe es ein deutliches Wachstum gegeben. Zudem sollen zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von über 100 Millionen Euro verbucht worden sein. Laut Bundesagentur für Arbeit wurden im Umfeld der WM ca. 50.000 neue Stellen geschaffen, was eine leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zur Folge gehabt habe.

Das Organisationskomitee hatten mit einem Etat von 430 Millionen Euro einen Überschuss von 135 Millionen erwirtschaftet. Nach Abzug von Steuern und einer Rückzahlung an die FIFA wurde die verbleibende Summe von 56,6 Millionen Euro jeweils zur Hälfte an DFB und DFL ausgezahlt.

Das Landgericht Frankfurt sieht „keinen hinreichenden Tatverdacht“ und lehnt die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen die Fußballfunktionäre Niersbach, Zwanziger und Schmidt ab. Die Staatsanwaltschaft bleibt bei ihrem Vorwurf und legt beim Oberlandesgericht Frankfurt Beschwerde ein. Kommt es doch noch zum Prozess, geht es nicht nur um Steuerfragen, sondern auch darum, wie die WM 2006 überhaupt nach Deutschland gekommen ist.

Zwanziger zeigt sich unbeeindruckt

Dass die Staatsanwaltschaft von ihrem Ziel, einen Prozess gegen die drei Fußballfunktionäre zu führen, nicht abrückt, lässt Ex-DFB-Präsidenten Zwanziger kalt:

Es ist das gute Recht einer Staatsanwaltschaft, Rechtsmittel einzulegen. Das habe ich nicht zu kritisieren. Es bereitet mir auch keine Sorgen. Ob es seitens der Staatsanwaltschaft aber klug ist, das zu tun, obwohl das Landgericht mit im Steuerrecht erfahrenen Richtern zu dem klaren Ergebnis gekommen ist, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, mag dahingestellt sein.

Mit einer Entscheidung der zuständigen Instanz ist frühestens im Frühjahr 2019 zu rechnen.

Sommermärchen-Affäre: Betriebsausgaben oder Steuerhinterziehung?

Konkret geht es der mit Frankfurter Staatsanwaltschaft um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die unter der Verantwortung der drei Funktionäre Niersbach, Zwanziger und Schmidt im Jahr 2005 vom DFB an die FIFA überwiesen und als „Betriebsausgaben“ deklariert wurden.

Das Problem: Die FIFA leitete das Geld direkt an den ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis Dreyfus weiter, die WM-Gala, die als Grund für die Transaktion angegeben wurde, fand nie statt.

Lektionen im Steuerrecht

In ihrer im Mai dieses Jahres eingereichten Klage geht die Frankfurter Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Zahlung des DFB keineswegs eine Betriebsausgabe gewesen sei und die Deklarierung somit zur Steuerhinterziehung gedient habe.

Die Vermutung der Fahnder in ihrer Klageschrift: Die Überweisung sei eine Entlohnung Beckenbauers für seine formal ehrenamtliche Tätigkeit im WM-Organisationskomitee gewesen.

Doch genau dieser Ansatz war für das Frankfurter Gericht der Anlass, die Eröffnung eines Verfahrens abzulehnen: Sollte es sich bei der Zahlung um eine Entlohnung von Franz Beckenbauer gehandelt haben, sei diese selbstverständlich als Betriebsausgabe anzuerkennen. Ob die Zahlung steuerlich absetzbar sei, hänge allein davon ab, ob sie objektiv mit dem Geschäftsbetrieb des WM-Komitees zusammenhänge.

Der Weg des Geldes: Entlohnung oder gekaufte WM?

Tatsächlich ist für Beobachter nicht ganz klar, warum die Staatsanwälte in diesem Kontext von einer Entlohnung Beckenbauers ausgehen. Die Erkenntnisse der Fahnder, die auch auf Ermittlungen aus der Schweiz beruhen, weisen eher in eine andere Richtung:

Der Verdacht: Bei der Zahlung handelte es sich um die Ablösung eines Kredits, den Dreyfus dem damaligen Präsidenten des deutschen WM-Organisationskomitees Franz Beckenbauer, gewährt hatte.

In hastigen Transaktionen war im Jahr 2002 Geld über Schweizer Kanzleien von Beckenbauer nach Katar an den mittlerweile wegen Korruption suspendierten FIFA-Funktionär Mohammed Bin Hamman geflossen. Wenig später – so macht es den Anschein – erstattete Dreyfus Beckenbauer die Ausgaben und bekam diese wiederum vom DFB zurück.

Ermittlungen in der Schweiz gehen weiter

Während die Beschuldigten nun bis zur Entscheidung des OLG Frankfurt über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft in Deutschland Zeit zum Durchatmen haben, sieht es in der Schweiz anders aus.

Auch hier wird gegen die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und den Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt ermittelt. Und auch der immer wieder im Fokus stehende Franz Beckenbauer wird nicht nur als Zeuge, wie in Deutschland, sondern als Verdächtiger geführt.

Franz Beckenbauer im Fokus der Ermittler

Die Vorwürfe lauten auf Geldwäsche, Untreue, Betrug und ungetreue Geschäftsbesorgung und gehen damit deutlich weiter als die in Deutschland ins Auge gefasste, vermutete Steuerhinterziehung.

Franz Beckenbauer

Hat mit Finanzen nichts zu tun: Franz Beckenbauer
(Quelle:Ralf Roletschek, licensed under CC3.0)

Beckenbauer selbst gab bei Vernehmungen in der Schweiz an, FIFA-Chef Blatter habe ihm 18 Monate nach Vergabe der WM nach Deutschland einen Zuschuss für die Ausrichtung versprochen. Zuständig hierfür sei die FIFA-Finanzkommission gewesen, die sich nachher in Person des Katarer Bin Hamman bei ihm gemeldet habe. 250 Millionen Schweizer Franken habe der Funktionär zugesagt, im Gegenzug habe er eine Art Provision in Höhe von zehn Millionen verlangt.

In diesem Kontext habe dann sein Manager Schwan gewirkt, er selbst habe zwar immer mal wieder etwas unterschrieben, „mit diesem ganzen Finanzzeugs“ aber nichts zu tun gehabt:

Ich bin ja kein Finanzgenie.

Ganz allgemein hat Franz Beckenbauer laut eigener Aussage vor den Schweizer Behörden nur wenig Überblick über die finanziellen Aspekte seiner Arbeit und die Bewegungen seiner Konten. Kredite, Rückzahlungen, Geldflüsse – Beckenbauer war nie involviert. Ebenso wenig wie Niersbach, Zwanziger und Schmidt, wenn man ihnen glauben möchte.

Viele offene Fragen und Millionen für den DFB

Und während so manch einer jubiliert, die Sommermärchen-Affäre sei beendet und der Verdacht des Stimmenkaufs endgültig ausgeräumt, bleiben doch viele Fragen offen. Ob das deutsche Steuerrecht das richtige Instrument zur Aufklärung ist oder ob auch das Frankfurter Oberlandesgericht keine Prozessgrundlage sieht, wird sich zeigen.

Fürs Erste kann sich der DFB aber doppelt freuen: Abgesehen von Reputationsfragen, hat die Entscheidung der Frankfurter Richter auch einen erheblichen finanziellen Aspekt: Sind keine Steuerverstöße auszumachen, bleibt die Gemeinnützigkeit des DFB für das Jahr 2006 bestehen. Die bereits geleisteten Steuernachzahlungen in Höhe von 22,57 Millionen Euro können somit vom Staat zurückgefordert werden.