Donnerstag, 28. März 2024

Schweiz: Bundesrichter-Lotterie stößt auf Ablehnung

Bundesgericht Schweiz Lausanne

In der Schweiz erhitzt eine etwas andere Form der Lotterie die Gemüter von Bürgern und Politikern. Eine Initiative will die Bundesrichter-Wahl per Los einführen, da das bisherige System der Bestimmung durch das Parlament die Unabhängigkeit der Richter gefährde.

Künftig solle der Justiz-Initiative zufolge eine unabhängige Expertenkommission geeignete Kandidaten für das Amt der Bundesrichter prüfen und vorschlagen. Die endgültigen Richter könnten dann durch das Los bestimmt werden, wobei die Initiative offenlässt, wie dies im Detail geschehen solle.

Das Losverfahren steht für die Schweizer am 28. November zur Abstimmung bereit. Den Volksentscheid möglich gemacht hatte eine Unterschriftensammlung im Jahr 2019. Damals hatte die Justiz-Initiative gut 130.000 Stimmen gesammelt. Ebenfalls zur Abstimmung stehen Ende November Eingaben zum COVID-Gesetz und zur Pflege älterer Bürger.

Ziel der Initiatoren sei eine Stärkung von Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz. Diese sehen die Aktivisten gefährdet, da die Bundesrichter nach derzeitiger Regelung von den Parlamenten für jeweils sechs Jahre in ihr Amt gewählt werden.

Gefährdete Unabhängigkeit der Justiz?

Dabei werden die Kandidaten jedoch nicht nur anhand ihrer Qualifikation sowie von Geschlecht und Sprache bestimmt. Hinzu kommt eine quantitative Komponente, denn die insgesamt 38 Stellen werden nach dem Proporzsystem vergeben. Somit stellen die Parteien jeweils ungefähr so viele Richter, wie sie ihrem Stimmenanteil der letzten Wahl entsprechen.

Die Nähe zu einer Partei gefährde die richterliche Unabhängigkeit, so die Antragsteller. Wie unfrei die Richter seien, zeige die Tatsache, dass diese jährlich einen vier- bis fünfstelligen Anteil ihrer Einkommen in Form der sogenannten Mandatssteuer an ihre jeweilige Partei überweisen müssten.

Das System führt dazu, dass parteilose Kandidaten seit Jahrzehnten keine Chance auf ein Richteramt erhalten, unabhängig von ihrer Qualifikation. So wurde der letzte Richter, der ohne feste Parteizugehörigkeit ins Amt gewählt wurde, im Jahr 1943 bestimmt.

Die geschilderte Abhängigkeit sehen nicht nur die Mitglieder der Initiative kritisch. Auch die Anti-Korruptionsorganisation des Europarats bemängelte die Mandatssteuer, ebenso wie die betroffenen Richter, die eine Abschaffung des Pflichtbeitrages fordern.

Sollte sich ein Richter zudem nicht zur Zufriedenheit seiner Partei im Amt bewähren, bestünde durch die erzwungene Wiederwahl nach sechs Jahren die Möglichkeit, missliebige Richter abzustrafen. Auch dies stehe der geforderten Gewaltenteilung grundsätzlich entgegen.

Geringe Erfolgsaussichten

Doch so treffend die Argumente der Initiative für ihre Befürworter auch sein mögen, ist deren Umsetzung äußerst unwahrscheinlich. So wurde das Anliegen im Nationalrat mit einer überwältigenden Mehrheit von 191 zu einer Stimme, bei vier Enthaltungen, abgelehnt.

Karin Keller Sutter, Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), erklärte stellvertretend:

Das Wahlverfahren durch die Bundesversammlung hat sich bewährt. (…) Die demokratische Legitimation des Bundesgerichts wird durch die Los-Ziehung nicht mehr gewährleistet.

Zudem betonen die Gegner, der Proporz gewährleiste, dass Einstellungen und Werte des Bundesgerichtes mit denen der Bevölkerung übereinstimmten. Bei einer Wahl per Los würden die Kandidaten mit dem meisten Glück ausgewählt, was der Demokratie Schaden zufüge, so die fast einhellige Meinung.

Aufgrund der parteiübergreifenden Ablehnung dürften die Chancen der Justiz-Initiative äußerst gering sein. Somit ist es wahrscheinlich, dass die Wahl der Schweizer Richter auch nach der Abstimmung Ende November wie gewohnt gehandhabt wird.