Dienstag, 16. April 2024

Mord im Wettbüro: Lebenslange Haftstrafen im Berliner Rocker-Prozess

Gerichtssaal

Im Berliner Rocker-Prozess um die tödlichen Schüsse in einem Wettbüro im Januar 2014 wurde am Dienstag das Urteil gefällt. Acht der zehn Angeklagten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter ihnen befindet sich der mutmaßliche Chef der „Hells Angels“ in Berlin.

Mit dem Urteil des Berliner Landgerichtes geht ein langjähriger Prozess zu Ende, bei dem mehr als 370 Zeugen und Sachverständige zu Wort gekommen waren. Im Januar 2014 hatten 13 Männer das Wettbüro Expekt in Berlin-Reinickendorf überfallen.

Wie ein Video von einer Überwachungskamera zeigt, gingen die Männer durch das Lokal direkt ins Hinterzimmer. Dort zog der erste von ihnen eine Waffe und gab acht Schüsse auf Tahir Özbek ab, der hier an einem Tisch saß. Der 26-Jährige starb innerhalb von wenigen Minuten. Der Schütze und seine Begleiter verließen das Wettbüro nach nur 25 Sekunden durch eine Hintertür.

Rockerchef der Hells Angels verurteilt

Die Täter konnten dank der Videoaufnahmen schnell identifiziert werden. Sieben von ihnen hat das Berliner Landgericht nun nach knapp fünf Jahren, am 300. Verhandlungstag, wegen gemeinschaftlichen Mordes schuldig gesprochen. Der mutmaßliche Rockerchef der Hells Angels, Kadir Padir (35), wurde wegen Anstiftung zum Mord verurteilt.

Berlin Alexanderplatz

Eine Schlägerei am Berliner Alexanderplatz soll Auslöser für den Racheakt gewesen sein. (Bild: Pixabay/Tobias Breyer)

Auf ihn hatten sich die Ermittler von Anfang an konzentriert. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass er den Mord in Auftrag gegeben hatte. Allerdings gab es hierfür keine eindeutigen Beweise. Der Angeklagte Recep O. hatte gestanden, die Schüsse abgefeuert zu haben. Er bestritt aber stets, einen Auftrag für den Mord bekommen zu haben.

Nur wenige Monate vor dem tödlichen Überfall auf das Wettbüro war es am Berliner Alexanderplatz zwischen Tahir Özbek und Mitgliedern der Hells Angels zu einer Messerstecherei. Einer von ihnen musste mit Verletzungen ins Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass es sich bei dem Mord an Tahir Özbek um einen Racheakt und eine Machtdemonstration vonseiten der Hells Angels handelte.

Gericht schließt sich der Hypothese des Auftragsmords an

Die Ermittler konnten das Gericht offenbar davon überzeugen, dass Kadir Padir den Mordauftrag aus Rache gegeben hatte. Er wurde nun, ebenso wie sieben Mitangeklagte, zu lebenslanger Haft verurteilt.

Lebenslange Freiheitsstrafe

Lebenslange Haft bedeutet in Deutschland einen Freiheitsentzug auf unbestimmte Zeit. Die Strafe kann nach § 57 a StGB frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Dauer der Bewährung beträgt fünf Jahre. Ob eine Bewährung gewährt wird, hängt davon ab, ob der betreffende Häftling als gefährlich eingestuft wird. Richter entscheiden hierbei auf Grundlage von Gutachten, die von Sachverständigen erstellt werden, sowie des Verhaltens des Strafgefangenen während der Haft.

Obwohl die Verteidigung stets den Auftragsmord bestritt und die Angeklagten jahrelang schwiegen, blieb die Staatsanwalt unbeirrt dabei, die Tat als geplanten Mord einzuordnen.

Ihre Erkenntnisse stützen die Oberstaatsanwälte Christian Fröhlich und Sjors Kamstra auf Telefonüberwachungen und die Aussagen des Kronzeugen Kassra Z. Der 32-Jährige zeigte sich den Behörden gegenüber kooperativ und wurde zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt.

Die Reaktionen der Rocker auf das Urteil

Die Sicherheitsmaßnahmen waren während des gesamten Prozesses massiv. Die Verhandlungen fanden im Hochsicherheitssaal 500 im Gerichtsgebäude in Berlin Moabit statt. Die Angeklagten saßen in Kabinen aus Panzerglas. Bis zur Verkündung des Urteils hatten sie sich stets gelassen gezeigt, gescherzt, geredet und den Angehörigen zugewunken.

Als das Urteil verkündet wurde, war es mit der Gelassenheit allerdings vorbei. Die Angeklagten reagierten teilweise schockiert, teilweise mit Wut auf die Urteilsverkündung. Auch unter den Zuschauern machte sich zum Teil Unmut bereit. Weitere Unruhen verhinderte jedoch das Großaufgebot an Polizei und Sicherheitspersonal im Saal und vor dem Gerichtsgebäude in der Turmstraße.

Während sich Innensenator Geisel (SPD) nach der Urteilsfällung erleichtert zeigt, warnt der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gegenüber der Tageszeitung Berliner Morgenpost:

„Natürlich sollten wir uns dessen bewusst sein, dass das Prinzip der Outlaw Motorcycle Gangs nicht mit einer Verurteilung von Kadir P. fällt. Wir reden hier aber nicht über irgendwen, sondern einen Mann, der die Hells Angels auf ein neues Machtniveau in der Stadt gehoben hat. Wir können uns darauf einstellen, dass andere in die jetzt entstandene Lücke stoßen wollen.“

Der Großteil der Angeklagten saß zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits seit mehr als fünf Jahren in Untersuchungshaft. Diese Zeit fließt in die Haftstrafe mit ein, sodass einige der Verurteilten bereits in zehn Jahren schon wieder auf freiem Fuß sein könnten.