Donnerstag, 25. April 2024

Virtual Reality als Therapie gegen Spielsucht

Mann mit Virtual Reality Gerät||Mann mit Virtual Reality Gerät

Im Rahmen des 87. Kongresses der französisch-kanadischen Wissenschaftlervereinigung Acfas stellte ein Forschungsteam der Universität von Quebec (UQO) in dieser Woche die Ergebnisse eines innovativen Therapieprojektes vor. Spielsüchtige sollen künftig mithilfe virtueller Realität durch ihre Therapie geleitet werden. Die vorläufigen Ergebnisse seien vielversprechend.

Konfrontation im Therapiezimmer

Vor knapp acht Jahren startete das Team um Stéphane Bouchard, Forscher und Projektleiter im Bereich klinische Cyberpsychologie, ein bahnbrechendes Pilotprojekt, welches einen völlig neuen Therapieansatz zur Behandlung von Spielsucht darstellen sollte.

Laut Bouchard fehle in der klassischen Therapie nämlich ein wichtiges Element – die Konfrontation mit der Versuchung. Patienten, die beispielsweise in Suchtkliniken Gesprächstherapie in Anspruch nehmen, seien weit entfernt von den Orten, an denen der Impuls zum Spielen tatsächlich ausgelöst werde.

Mann mit Virtual Reality Gerät

Der Patient betritt dank der Technologie ein virtuelles Casino (Bild: PxHere)

Um als Therapeut die genauen Auslöser und Emotionen eines individuellen Patienten nachvollziehen zu können, müssten die kritischen Momente, die einen Spielsüchtigen zum Spielen veranlassen, direkt im Therapiezimmer sichtbar werden.

Genau an diesem Punkt soll die virtuelle Realität zum Einsatz kommen. Sowohl Patient als auch Therapeut tragen während der Sitzung das entsprechende VR-Equipment, welches einen 3D-Besuch in einem Casino simuliert.

Der Patient wird dadurch mit der Versuchung des Glücksspiels konfrontiert, kann dieser Versuchung aber im geschützten Raum der Klinik nicht nachgehen. Stattdessen können er und sein Therapeut die genauen Auslöser des Spielimpulses feststellen und die gelebten Emotionen analysieren.

Sobald bekannt ist, welches die kritischsten Momente des Patienten sind, kann genau an jenen Stellen die passende kognitive Therapie zum Einsatz kommen. Somit sei es später im Alltagsleben des Patienten leichter, die in der Therapie gelernten Maßnahmen tatsächlich umzusetzen.

Noch nicht reif für die Praxis

Bouchard erklärte jedoch, dass die Erfolgsquote längst nicht den langfristig gewünschten Ergebnissen entspreche. So schätze man die derzeitige Wirksamkeit der VR-gestützten Therapie auf 40 bis 60 % ein.

Allerdings habe sich bereits deutlich gezeigt, dass die Konfrontationsarbeit mit virtueller Realität zumindest keinerlei negative Nebeneffekte habe. Der derzeitige Ergebnisstand sei ohne Zweifel gut genug, um in die nächste Testphase zu gehen.

So sollen in Kürze große klinische Studien folgen, in denen bewiesen werden soll, dass derartige Technologien maßgeblich zum Erfolg einer Spielsuchttherapie beitragen können.

Mit seinem Projekt hat sich Bouchard aber bereits jetzt auch in anderen Ländern Gehör verschafft. Radio Canada zitierte diesbezüglich Yasser Khazaal, den Chefarzt der psychiatrischen Abteilung der Schweizer Universitätsklinik Waadt:

Es ist nicht allein die virtuelle Realität, die die Therapie ausmacht, sondern die genaue Anwendungsweise bei den individuellen Patienten. Die Technologie kann sehr nützlich sein, um zu verstehen, was der Patient fühlt und glaubt, während er spielt. Es ist ein Ansatz, der die normale Therapie durchaus ergänzen kann.

Große VR-Erfolge bei psychischen Störungen

Auch in anderen Bereichen der Psychologie und Psychiatrie wurde der Einsatz von VR-Technologie bereits getestet. Im Jahr 2017 veröffentlichte ein Team aus Wissenschaftlern der Emory University School of Medicine eine klinische Studie [in englischer Sprache] zum Thema.

Während ihrer Forschungsarbeit hatten die Wissenschaftler Virtual Reality Therapien bei Patienten mit verschiedenen psychischen Störungen getestet.

Vogelspinne auf Unterarm

Selbst bei schlimmen Phobien soll VR helfen (Bild: Max Pixel)

Dazu zählten Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), Sozialer Phobie, Allgemeiner Angststörung, Panikstörungen, Zwangsstörungen (OCD), Schizophrenie oder spezifischen Phobien (bspw. Spinnen, Höhe).

In vielen Fällen seien die Ergebnisse „vielversprechend“ gewesen. Durch die Konfrontation mit den Ängsten der Patienten im geschützten Raum hätten diese effizienter lernen können, auf ihre Ängste zu reagieren und zu kontrollieren oder gar zu besiegen.

Dieselbe Studie wurde auch auf Suchtkrankheiten ausgeweitet, darunter Alkohol- und Drogensucht, aber auch Essstörungen verschiedener Art und Ausprägung. Die Theorie dahinter ist dabei dieselbe wie in Bouchards Spielsucht-Therapie: Patienten werden mit der Versuchung konfrontiert und lernen, diese in realistischen Situationen zu überkommen.

Für die Zukunft bietet sich hier also ohne Zweifel großes Potential für weitere Forschung und Tests. Wann und ob sich der Einsatz von Virtual Reality tatsächlich in verschiedenen Ländern in der Spielsuchttherapie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.