Dienstag, 19. März 2024

Begrenzung der Lizenzen für Sportwetten in Deutschland verstößt gegen EU-Recht

Logo Sportwettenanbieter Tipico

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Das VG Wiesbaden hat zugunsten des Sportwetten Anbieters Tipico entschieden (Quelle: www.tipico.com).

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat am vergangenen Freitag entschieden, dass Hessen die Vergabe von Sportwetten Lizenzen in Deutschland nicht auf 20 Anbieter beschränken darf. Nach einer Klage des Wettanbieters Tipico ist die Ausstellung weiterer Lizenzen in einem offenen Verfahren verpflichtend. Eine Beschränkung verstoße gegen EU-Recht, so das Gericht. Damit geht der Rechtsstreit um die Vergabe von Sportwettenlizenzen in Deutschland in eine neue Runde.

In Deutschland ist Hessen bundesweit für die Vergabe von Konzessionen für Sportwetten zuständig. Nach einem Auswahlverfahren, dass sich über zwei Jahre erstreckte, hat das hessische Innenministerium 20 Anbieter ausgewählt, die diesen Donnerstag eine Lizenz erhalten sollten. Darunter befinden sich Oddset, die staatliche Sportwetten GmbH und Cashpoint, Tochterunternehmen des Spielautomatenherstellers Gauselman. Der Gerichtsentscheid schob der beschränkten Vergabe jetzt einen Riegel vor.

Erfolgreiche Klage von Tipico

Von den 21 im Vergabeverfahren nicht berücksichtigten Wettbewerbern gingen mehr als ein Dutzend Klagen beim VG Wiesbaden ein. Als Musterverfahren wurde die Anfechtungsklage des Wettanbieters Tipico ausgewählt. Das auf Malta ansäßige Unternehmen wurde bereits 2004 gegründet und zählt mit einem jährlichen Umsatz von rund 500 Millionen Euro zu den größten privaten Wettanbietern Deutschlands. Tipico ist offizieller Wettpartner des FC Bayern München und hält seit 2012 eine Konzession für Sportwetten in Schleswig-Holstein inne. Die jetzt zugesproche Lizenz ist für eine Laufzeit von 7 Jahren im gesamten Bundesgebiet gültig. Tipico begrüßte den Gerichtsbeschluss mit der Mitteilung:

Die über 850 Tipico-Wettannahmestellen in Deutschland mit ihren 5000 Mitarbeitern können folglich weiter betrieben werden.

Hintergrund: Glücksspielstaatsvertrag und EU-Recht

Das Urteil des VG Wiesbaden ist das erste abgeschlossene Verfahren, das sich hauptsächlich mit der Beschränkung von Sportwettenlizenzen beschäftigt. In einem landeseinheitlichen Verfahren ist Hessen für die Vergabe zuständig. Das Ministerium erhielt jetzt vom Gericht den Auftrag, das Verfahren offen zu halten.

Das Urteil nennt eine Beschränkung auf lediglich 20 Konzessionen einen Verstoß gegen die Normen des EU-Rechts, genauer gegen die Dienstleistungsfreiheit und das Transparenzgebot, das sich aus dem Gleichheitsgebot ableitet. Es sei nicht nachvollziehbar, wie Hessen die Beschränkung auf 20 Sportwettenanbieter begründet. Eine fehlende oder nicht nachvollziehbare Rechtfertigung hat EU-Rechtswidrigkeit einer Begrenzung zur Folge – eine entsprechende Regelung im Glücksspielstaatsvertrag ließe sich nicht anwenden. Damit muss Tipico die eingeklagte Lizenz erteilt werden.

Schon im Herbst des vergangenen Jahres hatte das VG Wiesbaden im Fall des österreichischen Wettbewerbers Betkick das Vergabeverfahren angemahnt und deutlich gemacht, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht mit dem Grundgesetz zu vereinen sei.

Kritik an der Beschränkung von Sportwetten Lizenzen

Auch von den 20 Anbietern, die eine Konzession zugesprochen bekommen hatten, gab es Kritik am begrenzten Vergabeverfahren. Der DFB-Vizepräsident Rainer Koch äußerte sich gegenüber dem SPIEGEL wie folgt: „Für den Amateurfußball, den gesamten Breitensport, ist das eine finanzielle Katastrophe.“

Durch die Verzögerungen bei der Konzessionserteilung gingen dem Amateurfußball jährlich Beträge in einstelliger Millionenhöhe verloren. Der DFB kann einen bestehenden Sponsorvertrag mit Oddset nicht wahrnehmen, da der staatliche Anbieter Sportwetten online ohne Lizenz nicht bewerben darf.

Weitere Anbieter wie Lotto Hessen sehen in den Anfechtungsklagen ebenfalls eine Verzögerung der geregelten Sportwetten.

Was der Gerichtsentscheid für Sportwetten in Deutschland bedeutet

Sportwetten sind in Deutschland ein Markt mit geschätzten 4 bis 8 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Von der Lizenzvergabe erhofften sich die Bundesländer eine baldige Regulierung des bislang grauen Marktes. Diese Regulierung wird sich durch die andauernden, juristischen Auseinandersetzungen weiter verzögern. Mit den Worten des Oddset-Geschäftsführers Christoph Schmidt:

Wir sind sehr enttäuscht, dass es bisher zu keiner Vergabe gekommen ist.

Ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof möglich. Das Innenministerium in Hessen will das Urteil prüfen lassen und Beschwerde einlegen, um mit möglichst geringer Verzögerung mit der Lizenzvergabe beginnen zu können. Der Deutsche Sportwettenverband fordert anlässlich des Falls eine grundlegende Reform des Glücksspielstaatsvertrages.