Donnerstag, 25. April 2024

Geldwäsche und Online-Glücksspiel: Jährliche ‚Ndrangheta-Treffen in Duisburg?

Tisch in italienischem Restaurant

Die italienische Mafia-Organisation ‚Ndrangheta soll in Deutschland eine geheime Instanz betreiben, die den Frieden zwischen unterschiedlichen Akteuren der Vereinigung sichern soll. Dies berichten MDR und FAZ unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA). Das Crimine di Germania soll das einzige derartige Gremium der Organisation außerhalb Italiens in Europa sein. Die ‚Ndrangheta steht unter anderem im Verdacht, massive Geldwäsche mithilfe von Online-Casinos zu betreiben.

Mafia im Pott: Immer wieder Duisburg

Im Jahr 2007 wurden sechs Mitglieder eines ‚Ndrangheta-Ablegers im nordrhein-westfälischen Duisburg durch Schüsse regelrecht hingerichtet. Die Morde sollen den Höhepunkt eines bereits seit Anfang der 1990er-Jahre schwelenden Konflikts zwischen zwei Familien aus Kalabrien markiert haben. Seit dem Vorfall, bei dem Hintergründe und Täter bis heute nicht restlos ermittelt werden konnten, herrscht offenbar eine Art Burgfrieden zwischen verschiedenen ‚Ndrangheta-Akteuren in Deutschland.

Gemeinsamen Recherchen von MDR und FAZ zufolge dürfte dieser auf ein hochrangig besetztes Mafia-Gremium zurückzuführen sein.

So sei das sogenannte Crimine di Germania kurz nach den Morden, die der Organisation ungewünschte öffentliche Aufmerksamkeit beschert hatten, installiert worden. Auf Anfrage habe das BKA bestätigt, Kenntnis des Gremiums zu haben.

Das Mafia-Gremium soll sich einmal jährlich, mutmaßlich in Duisburg, treffen. Es bestehe aus neun Führungs-Personen unterschiedlicher, in Deutschland aktiver ‚Ndrangheta-Arme. Bei den Männern, die aus dem gesamten Bundesgebiet anreisten, soll es sich vornehmlich um Gastronomen handeln, die aus verschiedenen Teilen Kalabriens stammen. Die Zusammenkünfte dienten zum Ausgleich bestimmter Interessen und der Wahrung des Friedens zwischen den unterschiedlichen Akteuren.

Dem Tagesspiegel gegenüber zeigte sich der Investigativ-Journalist und Mafia-Spezialist Sandro Mattioli wenig überrascht über die Existenz des Crimine di Germania.

Er selbst habe bereits 2012 Informationen erhalten, nach denen Deutschland in der globalen Organisationsstruktur der ‚Ndrangheta als „Provincia“, gehandelt werde. Zu einem solchen wichtigen Außenposten, dessen Bedeutung der einer ganzen italienischen Region gleicht, gehöre zwingend auch eine entsprechende Kontrollinstanz.

Die Bundesrepublik, so Mattioli, sei nach Italien „das wichtigste Land“ für die ’Ndrangheta. Dies sei beispielsweise auf politische und wirtschaftliche Stabilität und eine recht geringe Sensibilisierung zum Thema italienische Mafia zurückzuführen. Beides mache Deutschland zu einem idealen Standort für Investitionen und Gelwäscheaktivitäten der ’Ndrangheta.

Glücksspielstaatsvertrag: Glücksfall für die ‚Ndrangheta?

Unter anderem, so der Verein Mafia? Nein Danke! e.V., dessen Vorsitzender Mattioli ist, sei das Online-Glücksspiel eines der wichtigsten Einfallstore für Geldwäsche. Der Verein spricht sich auf seiner Seite ausdrücklich gegen den neuen Glücksspielstaatsvertrag aus, der unter anderem der ‚Ndrangheta das Einschleusen illegal gewonnener Gelder in den Wirtschaftskreislauf erleichtern könnte.

So zeigten diverse Gerichtsverfahren und Verurteilungen in Italien, dass die italienische Mafia konzessionierte Online-Casinos nicht zur Geldwäsche nutze, sondern selbst eigene Unternehmen im Bereich des Online-Glücksspiels gründe und lizenzieren lasse. Der Verein appelliert:

Noch ist es Zeit, die Einigung der Regierungschefs der Länder zur Legalisierung des Onlineglücksspiels zu kippen und durch eine konsequente Geldwäscheaufsicht gegen illegale Betreiber dieses Einfallstor für Geldwäsche zu verstopfen – über das entschlossene Nein der Länderparlamente und durch die Erhöhung des außerparlamentarischen Drucks der kritischen Öffentlichkeit.

Mit den aktuellen Veröffentlichungen dürfte der vorrangige Zweck des Crimine di Germania, die Vermeidung von Öffentlichkeit, vorerst passé sein. Inwieweit weitere Konsequenzen drohen, bleibt in Anbetracht der Tatsache, dass das BKA offenbar bereits länger im Bilde über die Mafia-Treffen gewesen zu sein scheint, jedoch offen.