Mittwoch, 24. April 2024

Heftige Kritik an Video-Assistenz am ersten Bundesliga-Wochenende

VAR kommt beim Auftaktspiel der Bundesliga zum Einsatz|Bayern und Hoffenheim eröffneten die Bundesligasaison 2018/19|

VAR kommt beim Auftaktspiel der Bundesliga zum Einsatz

VAR kommt beim Auftaktspiel der Bundesliga zum Einsatz (Bildquelle: Sport1)

Am vergangenen Wochenende fand der erste Spieltag der Bundesliga-Saison 18/19 statt. Die nun zum zweiten Mal eingesetzte Video-Assistenz sorgte dabei für Ärgernis unter Trainern, Spielern und Fans.

Aufregung um VAR schon im Auftaktspiel

Die ersten neun Spiele der Bundesliga 2018/19 wurden von Freitag bis Sonntag in neun verschiedenen Stadien Deutschlands ausgetragen. Dabei kam zum zweiten Mal die umstrittene VAR-Technologie zum Einsatz.

Was bei der Weltmeisterschaft in Russland so hervorragend funktionierte, sorgte nun beim ersten Spieltag für Wirbel und große Aufregung. In vier der neun Spiele kam es zu schwerwiegenden Umentscheidungen seitens der Schiedsrichter.

Bayern und Hoffenheim eröffneten die Bundesligasaison 2018/19

Bayern und Hoffenheim eröffneten die Bundesligasaison 2018/19 (Bildquelle: Bundesliga)

Bereits im Auftaktspiel zwischen dem FC Bayern München und dem TSG 1899 Hoffenheim kam es zu fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen. Bastian Dankert pfiff einen Elfmeter, nachdem der Hoffenheimer Nordtveit in Ribery hineingrätschte.

Äußerst umstritten war hier, ob es wirklich die Grätsche war, die Ribery zu Fall brachte oder ob der Franzose im Strafraum geschickt eine Schwalbe machte. Zum Erstaunen vieler Zuschauer griff Video-Assistent Sascha Stegemann nicht ein und der Elfmeter wurde ausgeführt.

Nur zwei Minuten später jedoch wurde das Spiel durch den Videoassistenten unterbrochen. Dieser schritt ein, da Robben beim Elfmeter zu früh in den Sechzehner gestartet war. Der Elfmeter wurde durch Lewandowski wiederholt und sorgte für das 2:1 für die Bayern.

Beim vermeintlichen 3:1 durch Müller kurz vor Spielende griff Stegemann erneut ein und annullierte das Tor mit der Begründung, es sei Handspiel gewesen.

Video-Assistenz im Fußball

Erstmals eingeführt wurde VAR 2016 in den Niederlanden, nachdem die Technologie dort eine vierjährige Testphase durchlaufen hatte. Bei 26 Pokalspielen der Saison kam die neue Technik zum Einsatz. Noch im selben Jahr übernahmen auch die USA und Kanada die Video-Assistenz für die United-Soccer-League. Australien folgte im April 2017 mit seiner A-League.

Auch Deutschland ließ nicht lang auf sich warten und entschied, VAR erstmalig bei der Bundesligasaison 2017/18 einzusetzen. Die Zentrale, aus welcher die Video-Assistenten arbeiten, befindet sich in Köln. Die Video-Assistenz soll in Deutschland dann eingreifen, wenn ein Wahrnehmungsfehler in kritischen Szenen vorliegt. Der Schiedsrichter auf dem Platz soll letztendlich aber die Entscheidung allein tragen.

Insbesondere Hoffenheims Trainer Nagelsmann war verärgert über das Handeln der Schiedsrichter, bzw. des Videoassistenten. Dieser hätte den zu Unrecht gegebenen Elfmeter verhindern sollen, statt in späteren uninteressanteren Szenen unnötig einzugreifen.

Auch die Samstags-Spiele VfL Wolfsburg – Schalke 04 (2:1), Hertha BSC – 1. FC Nürnberg (1:0) und Fortuna Düsseldorf – FC Augsburg (2:1) waren geprägt von umstrittenem Eingreifen der Video-Assistenten.  Platzverweise, Karten und Elfmeter sorgten für Aufregung unter Trainern und Fans.

Zusätzlicher Druck auf Schiedsrichter

Auch Dr. Jochen Drees, ehemaliger Bundeliga-Schiedsrichter und neuer Videobeweis-Beauftragter, äußerte sich gestern bei „Sky“ zu den Vorfällen am Wochenende. Dabei räumte er ein, dass vieles „einfach nicht gelaufen“ sei, wie es sollte.

Drees betonte, dass es letztendlich die Aufgabe des Schiedsrichters sei, zu entscheiden und berief sich dabei auf zwei Situationen, in welchen Schiedsrichter Ittrich beim Spiel in Wolfsburg zum Rückruf seiner Entscheidung durch die Video-Assistenz aufgerufen wurde.

Seiner Meinung nach hätte die Entscheidung in beiden Fällen beim Schiedsrichter bleiben sollen. Ähnlich äußerte sich auch Nürnbergs Trainer Michael Köllner, der sich mitleidig über die durch VAR eingeschränkte Entscheidungskraft der Schiedsrichter äußerte. Diese hätten nun „nichts mehr zu sagen“ statt „alles selbst zu regeln, wie es früher war“.

Nicht nur auf den Schiedsrichtern liegt somit noch mehr Druck als zuvor, auch auf den Video-Assistenten lastet große Verantwortung. Drees sprach in diesem Zusammenhang von einer „Angst davor, Fehler zu übersehen“. Ein überstürztes Eingreifen kann dann große Konsequenzen auf den Spielverlauf und das Spielergebnis haben.

Auch Marco Bode, Aufsichtsratsvorsitzender bei Werder Bremen äußerte bei „Sky“ scharfe Kritik:

Teilweise kommen Hinweise aus Köln, teilweise Fragen vom Spielfeld. Dann laufen die Schiedsrichter selbst zum Bildschirm, aber welches Bild bekommen sie? Welche Perspektive? Ich halte das für sehr problematisch. Weniger ist mehr an der Stelle, lasst den Schiedsrichter entscheiden. Lasst uns aus Köln nur klare Hinweise geben. Insgesamt hat sich meine Skepsis eher bestätigt.

Bode ist nicht der einzige Skeptiker an der Nutzung der Video-Beweis-Technologie. Bereits bei der Bundesligasaison 2017/18, als VAR zum ersten Mal in Deutschland eingesetzt wurde, gab es aus denselben Gründen wie jetzt von mehreren Seiten Beschwerden.

Video Assistant Referee bei WM 2018 ein voller Erfolg

Die FIFA hatte sich im März dazu entschieden, den Videobeweis auch für die Weltmeisterschaft in Russland einzusetzen. Der Video Operation Room war dabei in Moskau und es kamen bei jedem Spiel vier Video-Assistenten sowie vier Operators zum Einsatz.

VAR Studio in Moskau während der WM 2018

VAR Studio in Moskau während der WM 2018 (Bildquelle: Kicker)

Mit 33 Kameras und 3D-Abseitslinien sollte für mehr Gerechtigkeit auf dem Spielfeld gesorgt werden. Die Schiedsrichter der WM empfanden dies in der Mehrheit als positiv.

Auch die Fans im Stadion erhielten besseren Einblick in kritische Szenen. Auf Leinwänden konnten Spielsituationen in Zeitlupe abgespielt werden, was für mehr Transparenz sorgen sollte. Zuschauer vorm Fernseher hingegen erhielten denselben Split-Screen Bildschirm wie die Schiedsrichter.

Neben Deutschland und dem Vorreiter Niederlanden nutzen heute auch Australien, die Vereinigten Staaten und Kanada die VAR Technik. Auch in England wird das Thema heiß diskutiert, insbesondere in Bezug auf die derzeit laufende Premier League.

Für die Saison 2018/19 entschieden die Briten sich gegen die Video-Assistenz. In einer Abstimmung sprach sich die Mehrzahl der Clubs gegen die Neuerung aus, mit der Begründung, dass diese noch nicht ausgereift genug sei.

Die Wahl wird nächstes Jahr wiederholt. Ob die traditionsbewussten Briten sich schließlich wie Deutschland dafür entscheiden, bleibt abzuwarten. Der gestrige ungestrafte Handball von Newcastle-Spieler Gayle im Spiel gegen Chelsea könnte dabei aber sicherlich ein Pro-Argument sein.