Dienstag, 23. April 2024

Nach Verlegung des Länderspiels Deutschland – Peru: DFB-Chef Grindel in der Kritik

DFB-Präsident Rainhard Grindel|

Am Sonntag gewann die deutsche Fußballnationalmannschaft das Freundschaftsspiel gegen Underdog Peru mit 2:1 in Sinsheim. Während Nationaltrainer Löw nach der verheerenden WM-Teilnahme seine Bewährungsprobe bestanden hat, steht DFB-Boss Reinhard Grindel in der Kritik:

Aufgrund der Befürchtung, dass Frankfurter Fans die deutsche EM-Bewerbung für 2024 gefährden könnten, soll der Präsident des weltweit größten Fußballfachverbands gegen den Willen der Verwaltung eine Verlegung des Länderspiels durchgesetzt haben.

Grindel für Verlegung von Länderspiel verantwortlich

Das Magazin „Der Spiegel“ hatte gemeldet, der DFB habe das für das Frankfurter Waldstadion geplante Freundschaftsspiel gegen Peru auf massives Drängen von Vereinspräsident Grindel nach Sinsheim verlegt. Der Grund: Im Gegensatz zu Frankfurt seien im Heimstadion der TSG 1899 Hoffenheim keine Ausschreitungen zu erwarten.

Die Angst vor Fan-Krawallen bei einem Länderspiel und dem damit verbundenen schlechten öffentlichen Bild kommt nicht von ungefähr: Der DBF arbeitet derzeit mit Hochdruck am Projekt EURO 2024. Die Entscheidung zur Austragung der 17. Fußballeuropameisterschaft wird am 27. September 2018 zwischen dem DFB und dem türkischen Fußballverband Türkiye Futbol Federasyonu fallen.

DFB bestreitet Rechercheergebnisse

Der DFB widersprach der Darstellung des Nachrichtenmagazins, wonach man aus Angst vor Frankfurter Ultras „gekuscht“ habe. In einer Stellungnahme der Deutschen Presseagentur gegenüber teilte der Fußballverband mit, die Entscheidung zur Verlegung des Austragungsortes sei allein aufgrund der Zuschauerzahlen getroffen worden. Man habe sicherstellen wollen, dass das Spiel ausverkauft sei. Somit sei die Wahl auf das mit 25.494 Plätzen deutlich kleinere Sinsheimer Stadion gefallen.

Spiegel leakt interne Mails

Hieraufhin legte der Spiegel nach und veröffentlichte einen internen Email-Verkehr zwischen Verbandspräsidenten Grindel, Vizepräsidenten Rainer Koch und Generalsekretär Friedrich Curtius aus dem Februar 2018.

Am 28.02. hatte Grindel den Funktionären seine Motive zur Verlegung des Spiels offen dargelegt:

Ich halte das Risiko, dass wir bei dem Länderspiel ein Desaster erleben und dies kurz vor der EURO-Vergabe negative Auswirkungen hat, einfach für zu hoch, weil für mich die Frankfurter Ultra-Szene viel zu unberechenbar ist.

Zuvor hatte Koch auf Anregung Curtius` klargemacht, den Vorstoß Grindels zur Spieländerung kritisch zu sehen. Die Planungen der DFB-Verwaltung stünden bereits fest und aus Sicht der operativen Ebene käme nur Frankfurt als Länderspielort für das Septemberspiel in Betracht, ließ er den Präsidenten wissen.

Problematisch sei hierbei nicht nur der Eingriff in den operativen Bereich der Zentralverwaltung durch das Präsidium, sondern auch die Auswirkungen in Bezug auf den Fandialog in Frankfurt.

Auf die Kritik reagierte Grindel nach den vorliegenden Emails empfindlich:

Wenn aber die Verwaltung meint, diese Verantwortung übernehmen zu können und sogar argumentiert, dass es eine Gefahr geben würde, dass die Standortfrage dem DFB negativ angelastet wird, was ich für abwegig halte, dann akzeptiere ich das. (…) Wenn es aber andere glauben, besser zu wissen, stelle ich mich dem nicht entgegen.

Offensichtlich gelang es Grindel im Nachgang, seine Position durchzusetzen, das Spiel fand nicht in Frankfurt, sondern in Sinsheim statt.

Persönliche Stellungnahme vor dem Länderspiel

Kurz vor Anpfiff der Partie Deutschland – Peru meldete sich der DFB-Präsident dann nochmal zu den veröffentlichten E-Mails zu Wort: Die darin vorgetragenen Gedanken seien unter dem Eindruck des eine Woche zuvor von Frankfurter Ultras initiierten Protestes gegen die Montagsspiele entstanden.

In der Saison 17/18 gab es die ersten institutionalisierten Montagsspiele in der 55-jährigen Geschichte der Bundesliga. Kritiker beklagen die Zersplitterung der Spieltage und die fortschreitende Kommerzialisierung im deutschen Fußball.

Beim Spiel Eintracht Frankfurt gegen RB Leipzig am 20.02.2018 brachten Frankfurter Fans ihren Protest massiv zum Ausdruck. Während ein Meer von Bannern mit Protestslogans das Stadion schmückte, verzichteten die Frankfurter Stadionbesucher während des gesamten Spiels auf Fangesänge und quittierten Ballbesitze der gegnerischen Mannschaft mit eigens zuvor verteilten Trillerpfeifen.

Begonnen hatte das Spiel mit einigen Minuten Verspätung, da sich Ultra-Fans im Innenbereich befunden hatten. Vor Beginn der zweiten Halbzeit waren Hunderte Tennisbälle von den Rängen auf den Rasen geworfen worden, um das Spiel zu verzögern.

Alle Beteiligten sowie Eintracht-Vorstand, Polizei, Sicherheitskräfte und gegnerische Mannschaft waren im Vorfeld über die anstehenden friedlichen Proteste informiert worden.

Maßgeblich für die Entscheidung gegen Frankfurt als Austragungsort seien die Überlegungen zu möglicher negativer PR durch Frankfurter Ultras aber nicht gewesen, betonte der Funktionär mit Verweis auf die Hoffnung auf „ein volles Stadion“ und „eine tolle Stimmung“ in Sinsheim.

Empörung in Frankfurt

Frankfurter Ultras mit Bengalos

Keine Bilder für eine EM-Bewerbung: Frankfurter Fußballfans mit Pyrotechnik (Quelle:Spiegel Online)

Frankfurter Fan-Vertreter reagierten empört auf Grindels Aussagen vom Februar, in denen er die Vermutung in den Raum stellte, Frankfurter Ultras planten, die Bewerbung des DFB um die EM 2024 durch das Produzieren spektakulärer Bilder mit Pyrotechnik zu torpedieren.

Entgegen seiner Gewohnheit veröffentlichte der Nordwestkurven-Rat, dem auch die Frankfurter Ultras angehören, am Sonntag eine Stellungnahme, die keinen Raum für Missverständnisse lässt:

Diese diffuse, völlig realitätsferne Panik des Präsidenten lässt tief blicken. (…) Dieser Mann war und ist untragbar!

Nach der Affäre um Nationalspieler Mesut Özil, der DFB-Chef Reinhard Grindel im Zuge seines Rücktritts offen Rassismus vorgeworfen hatte, findet sich der 56-Jährige ehemalige CDU-Politiker nun binnen weniger Wochen erneut im Fokus einer aufgebrachten Öffentlichkeit.

Grindel selbst sieht seine Position nach eigener Angabe nicht gefährdet und die Landesverbände hinter sich vereint. Verärgert zeigt er sich, dass „im Fußball nichts geheim bleibe“.

Wer für die Weiterleitung der heiklen E-Mails an den Spiegel verantwortlich war, ist nicht bekannt.