Samstag, 27. Juli 2024

Plant Schleswig-Holstein ein neues Glücksspielgesetz im Alleingang?

Kieler Landtag

Die Regierungsparteien in Deutschlands nördlichstem Bundesland arbeiten nach Angaben von Politikern an einem neuen Glücksspielgesetz. Grund dafür sind die uneinheitliche Glücksspielregelung in Deutschland und das Auslaufen der letzten Casino-Lizenzen, die Schleswig-Holstein seit 2012 an einzelne Anbieter vergeben hatte.

Wie Hans-Jörn Arp, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU in Schleswig-Holstein, am 12. Februar der Tageszeitung Hamburger Abendblatt mitteilte, arbeite die Koalitionsregierung von CDU, FDP und Grünen derzeit intensiv an einer neuen Regelung. Um ein neues Glücksspielgesetz auf den Weg zu bringen, würden bereits Gespräche mit der Landtagsfraktion des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) geführt.

Nicht die erste derartige Regelung in Schleswig-Holstein

Es wäre nicht der erste Alleingang des nördlichsten Bundeslandes, denn es scherte bereits vor sieben Jahren aus dem Glücksspielstaatsvertrag aus und erstellte im September 2011 mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels“ eine eigene rechtliche Regelung.

In dessen Folge vergab es seit 2012 Lizenzen an Online Casinos. Da die spätere SPD-Regierung den Alleingang stoppte, wurden schon nach kurzer Zeit keine weiteren Lizenzen mehr erteilt.

Das Gerangel um den Glücksspielstaatsvertrag
Um bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für das Glücksspiel zu schaffen, wurde der Glücksspielstaatsvertrag geschaffen. In diesem wird das Staatsmonopol auf Glücksspiele festgeschrieben. Online Glücksspiele sind demnach verboten. Sie müssen laut EU-Recht jedoch geduldet werden, wenn die Anbieter über eine Lizenz aus einem EU-Staat verfügen.

Der Vertrag wurde im März 2017 von allen 16 Ministerpräsidenten ausgehandelt. Allerdings lehnten die Regierungen von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen den Vertrag ab, sodass dieser noch immer nicht von allen Bundesländern ratifiziert wurde.

Aufgrund seines Sonderwegs war Schleswig-Holstein bisher das einzige Bundesland, das hierzulande Lizenzen für Online Casinos vergeben hat. Diese waren jedoch zeitlich beschränkt, sodass sie nach und nach ausliefen.

Am 6. Februar 2019 erlosch deshalb die letzte der jeweils sechs Jahre gültigen Lizenzen ab, sodass es nun keine gültige deutsche Genehmigung mehr gibt.

Aktuelle Stunde zum Thema Glücksspiel in Kiel

Die Lage der Online Casinos wird im Land äußerst kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund fand am heutigen Mittwoch auf Antrag der SPD-Fraktion im Kieler Landtag eine aktuelle Stunde über „Illegales Online-Glücksspiel in Schleswig-Holstein“ statt.

Wie die Politik das Geschehen bestimmt
Die deutsche Glücksspielgesetzgebung ist von großen politischen Differenzen geprägt. Das wird besonders am Beispiel Schleswig-Holsteins deutlich. Dort wurde der Glücksspiel-Sonderweg 2011 von dem CDU-geführten Landtag beschlossen.

Die Nachfolgeregierung unter SPD-Ministerpräsident Torsten Albig vollzog nach ihrem Amtsantritt ein 180 Grad-Kehrtwende und machte den Schritt wieder rückgängig. Die jetzt regierende Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen nimmt das Auslaufen der letzten Lizenzen zum Anlass, erneut über das Thema zu diskutieren. Von der SPD wird eine erneute Legalisierung strikt abgelehnt.

Bei der Debatte bekundete Schleswig-Holsteins Regierung ihr Interesse an einer bundeseinheitlichen Regelung. So sagte Innenminister Hans-Joachim Grote von der CDU:

Unsere Ziele sind Kontrolle, Spielerschutz und eine Regulierung des Marktes. Es gibt entsprechende Gespräche mit den Länderkollegen, die zunehmend die Notwendigkeit zum Handeln erkennen.

Man arbeite deshalb weiter intensiv an einer „dauerhaften, tragfähigen und rechtskonformen Lösung“. Daraufhin kritisierte die oppositionelle SPD die Politik der Koalition scharf. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sagte in der Debatte:

Sie rollen zwielichtigen Personen aus der Glücksspielbranche den roten Teppich aus. (…) Ihre Zockerfreunde sollen alles machen können, was sie wollen.

Stegner warf insbesondere CDU und FDP zudem vor, dass das Land „illegal“ handle und „Anarchie“ fördere. Allerdings zeigten sich Regierungsmitglieder unbeeindruckt und behielten sich ausdrücklich vor, eine eigene Gesetzgebung voranzutreiben, sollte es keine bundesweite Einigung geben.

Prescht Schleswig-Holstein erneut vor?

Hans-Jörn Arp, CDU

CDU-Politiker Hans-Jörn Arp (Bild: CDU)

Mit ihrer Position setzen die Regierungspolitiker aus dem Norden die anderen Bundesländer unter Zugzwang. Denn ihre Gedanken über eine neue Regelung können durchaus als Drohung eines erneuten Alleingangs Schleswig-Holsteins verstanden werden.

Für den Fall, dass sich die Ministerpräsidenten der Länder in ihrer nächsten Sitzung am 21. März erneut nicht auf eine einheitliche Regulierung des Glücksspielmarkts einigen, könnte die Kieler Jamaika-Koalition von sich aus aktiv werden und voraussichtlich noch im Frühjahr einen eignen Gesetzentwurf im Landtag einbringen.

Hans-Jörn Arp bekräftigte bereits im letzten Jahr sein Interesse an einer Regulierung des Glücksspiels:

Casino, Poker- und Sportwetten sind ein stark wachsender Markt – Grund genug, ihn zu legalisieren, um ihn auch kontrollieren zu können. Mit einem bundeseinheitlichen Gesetz gäbe es kein illegales Glückspiel mehr, auch nicht im Casinobereich. Nur ein legaler Markt ist kontrollierbar. (…) Der Jugendschutz wäre gewährleistet, und der Geldwäsche würde entgegengewirkt.

Käme es über einen Kieler Sonderweg tatsächlich wieder zu einer erneuten Lizenzvergabe, dürften sich die Betreiber der Online Casinos erfreut die Hände reiben. Schließlich gäbe ihnen eine in Deutschland ausgestellte Glücksspiellizenz langfristig Rechtssicherheit zum Betrieb ihrer Casino-Webseiten.

Finanzielle Gründe als zusätzliche Triebfeder für ein Gesetz

Ein Auslöser für den damaligen Sonderweg war die Hoffnung auf gesteigerte Steuereinnahmen durch die Erlöse der Online Casinos.

Diese wurden jedoch zumindest teilweise enttäuscht: Statt der prognostizierten 50 bis 60 Millionen Euro im Jahr bescherten die Lizenzen dem Bundesland seit 2012 insgesamt nur gut 10 Millionen Euro.