Donnerstag, 07. November 2024

Sucht Schweiz: Gendersensible Ansätze bei der Suchtprävention

Jugendliche am Smartphone Innenstadt

Das nationale Kompetenzzentrum für Prävention, Forschung und Wissensvermittlung im Suchtbereich Sucht Schweiz beschäftigt sich aktuell mit „gendersensibler Suchtprävention“. In Zentrum der Initiative stünden Jugendliche, die aufgrund der Corona-Krise seit Monaten einem nie zuvor erlebten Dauerzustand der Unsicherheit und Belastung ausgesetzt seien.

Wie Sucht Schweiz erklärt, seien die psychischen Auswirkungen auf Jugendliche besonders stark. Vor allem die „Herausbildung der eigenen Geschlechtsidentität“ sei in den letzten Monaten von der Pandemie überschattet und somit nicht im üblichen Maße möglich gewesen.

Durch den konstanten Druck auf die Jugendlichen erhöhe sich auch das Risiko von Suchterkrankungen. Mädchen und Jungen gingen mit Belastungen und Suchtmitteln verschiedener Art jedoch tendenziell unterschiedlich um.

Sucht Schweiz wurde bereits im Jahr 1902 gegründet und arbeitet seit 2003 als private, parteipolitisch und konfessionell unabhängige Stiftung. Sie beschäftigt rund 45 Mitarbeiter und finanziert sich zur Hälfte durch Spendengelder. Sucht Schweiz entwickelt pädagogisches Material und bietet Beratungen und Fortbildungen an. Die Stiftung engagiert sich dabei im Bereich Prävention gegen alle gängigen Suchterkrankungen. Seit einigen Jahren steht auch Spielsucht im Fokus der Präventionsarbeit.

Zum Thema der genderspezifischen Problemwahrnehmung und -bewältigung hat Sucht sieben Kurzfilme entwickelt. In den neuesten zwei Videos liegt der Fokus auf Gewalterfahrungen und Stresserleben.

Wie Jungen und Mädchen damit umgingen und welche Verhaltensweisen sich bei ihnen präsentierten, werde auch durch gängige Männer- und Frauenbilder beeinflusst, erklärt Sucht Schweiz.

Daher müssten die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Suchtprävention berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollen die Jugendlichen lernen, die wahrgenommenen Geschlechterrollen zu hinterfragen.

Gewalt bei Jungen, Stress bei Mädchen?

Das Video über Gewalt richte sich insbesondere an die Jungen. Diese seien rein statistisch mit Ausnahme von sexuellen Übergriffen „deutlich häufiger Täter, Opfer und Beobachter von Gewalt“. Mehr als die Hälfte aller Jungen hätten sich schon einmal in der Opferrolle einer Gewalttat wiedergefunden. Aus Scham und Angst vor Stigmatisierung sprächen jedoch nur die wenigsten über ihre Erfahrungen.

Laut Nadia Rimann, der Verantwortlichen des Projektes zur gendersensiblen Suchtprävention, sei dies einer der Kernpunkte der Prävention:

Wir wollen Mädchen und Jungen ermuntern, über Probleme zu reden, voneinander zu lernen und gute Bewältigungsstrategien zu finden. Dies fördert die psychische Gesundheit und schützt vor problematischem Substanzgebrauch.

Mädchen seien tendenziell eher gewillt, über ihre Probleme zu reden. Eines der Hauptprobleme heranwachsender Frauen sei dabei die Stressbewältigung. Studien hätten gezeigt, dass sich 80 % aller weiblichen Jugendlichen im Alltag überfordert fühlten. Bei den Jungen seien es 60 %.

Zur vermeintlichen Stressbewältigung griffen Mädchen daher häufiger und schneller zu Suchtmitteln, insbesondere Alkohol. Jungen wiederum nutzten Suchtmittel in riskanterer Weise als Mädchen. Bei der Stressbewältigung männlicher Jugendlicher spielten zudem substanzunabhängige potenzielle Suchtmittel wie Videospiele oder Glücksspiele eine deutlich größere Rolle.