Sonntag, 06. Oktober 2024

Zentrale Figur in türkischem Korruptionsgeflecht: Zyprischer Casino-Milliardär Falyalı erschossen

Erschossener Casino-Betreiber Halil Falyali Casino-Betreiber Halil Falyalı wurde am Dienstag auf Zypern erschossen (Quelle:instagram.com/falyalihalil)

Halil Falyalı, türkisch-zyprischer Glücksspiel-Unternehmer und zentrale Figur in einem schlagzeilenträchtigen Korruptionsskandal, ist am Dienstag bei einem bewaffneten Angriff getötet worden. Dies berichtet unter anderem die türkische Tageszeitung Hürriyet. Falyalı betrieb mit dem Les Ambassadeurs Hotel & Casino eines der luxuriösesten Glücksspiel-Häuser der Insel. Der Anschlag soll in direkter Nähe zu dem Resort stattgefunden haben.

Falyalı war unter anderem im Mai 2021 in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte der aus der Türkei geflüchtete Mafia-Pate Sedat Peker öffentlich schwere und detaillierte Anschuldigungen gegen Mitglieder der türkischen Regierung erhoben und sie der organisierten Kriminalität im großen Stil bezichtigt. Falyalı beschrieb er dabei als politisch bestens vernetzte Schlüsselfigur im internationalen Kokainhandel.

Casino-Betreiber stirbt nach Schüssen

Medienberichten zufolge starb der als „Wett- und Casino-Magnat“ bekannte Halil Falyalı am späten Dienstagabend in einem Krankenhaus in Nikosia. Zuvor hätten mehrere Täter im Dorf Çatalköy im Bezirk Girne (Kyrenia) aus einem Auto heraus mit halbautomatischen Waffen das Feuer auf den Wagen des Geschäftsmannes eröffnet.

Der Chauffeur des Casino-Betreibers sei noch am Tatort verstorben. Falyalıs Ehefrau und Kinder hätten sich in einem folgenden Fahrzeug befunden und den Anschlag unverletzt überlebt.

Kyrenia Hafen Zypern

Die Gewalttat ereignete sich in Kyrenia im Norden von Zypern (Quelle:pixabay.com/Walkerssk)

Der türkischen Tageszeitung Sözcü zufolge soll bereits wenige Stunden nach der Tat ein Verdächtiger festgenommen worden sein. Der lediglich als Ö.T. identifizierte Mann soll in Verbindung mit dem von den Angreifern genutzten Mietwagen stehen.

Zu den Hintergründen des Mordattentats auf den Casino-Betreiber liegen noch keine öffentlichen Erkenntnisse vor. Der türkisch-zyprische Journalist Emir Abdurrahman Bulut sprach der Wochenzeitung Cumhuriyet gegenüber jedoch von dem Anschlag vorangegangenen Auffälligkeiten. So sei Falyalı ausgerechnet an diesem Abend von seiner üblichen Sicherheitsroutine abgewichen:

Normalerweise war er mit einem gepanzerten Fahrzeug unterwegs. Die Tatsache, dass ein solcher Angriff 200 Meter vom Hotel entfernt und auf dem Heimweg stattfand, deutet darauf hin, dass dies professionell geschah.

Für die Annahme, dass es sich um einen professionell organisierten Mord gehandelt haben dürfte, spricht neben der Tatbegehung auch ein Blick in die Vita des Getöteten.

So tauchte der Name Halil Falyalı spätestens seit 1987 immer wieder im Kontext schwerer Straftaten auf. Der millionenschwere Geschäftsmann soll eine zentrale Figur der türkischen organisierten Kriminalität gewesen sein und sich dementsprechend nicht nur Freunde gemacht haben.

Milliardenschweres illegales Glücksspiel-Netzwerk

Im Jahr 2016 sprengte die Istanbuler Polizei einen illegalen Glücksspielring, der unter anderem in Zypern und Großbritannien aktiv war. Das Netzwerk soll ein tägliches Transaktionsvolumen von 40 Mio. USD aufgewiesen und dem türkischen Staat jährliche Steuerausfälle in Höhe von 12 Mrd. USD beigebracht haben. Falyalı galt als eine der Schlüsselfiguren.

Im selben Jahr wurde der Geschäftsmann von einem US-Gericht in Abwesenheit wegen Geldwäsche und Drogenhandels schuldig gesprochen. Dem Nachrichtenportal turkishminute.com zufolge habe der Casino-Magnat das nördliche Zypern seither nicht mehr verlassen. Dank seines milliardenschweren Vermögens habe er in seiner Heimat erheblichen Einfluss ausüben und sich so vor einer Auslieferung schützen können.

Entführung eines Casino-Angestellten

Im vergangenen Jahr hatte der im Exil lebende Mafia-Pate Sedat Peker begonnen, mithilfe von YouTube-Videos diverse mutmaßliche Interna aus der organisierten Kriminalität in der Türkei  zu veröffentlichen. Dabei hatte er es insbesondere auf Enthüllungen bezüglich schwerkrimineller Aktivitäten auf höchster politischer Ebene abgesehen. Hierbei fiel immer wieder auch der Name Halil Falyalı.

Sedat Peker erklärte unter anderem, dass Falyalı gemeinsam mit Erkan Yıldırım, Sohn des führenden AKP-Politikers Binali Yıldırım, und dem ehemaligen Minister Mehmet Ağar im großen Stil in den internationalen Kokainhandel verwickelt sei.

Das Rauschgift werde von Venezuela aus in die Türkei und dann auf Luxusjachten in den Nahen Osten verschifft. Die Einnahmen würden über Falyalıs zyprische Casinos und über Online-Wettseiten gewaschen, bevor sie in die türkische Wirtschaft eingespeist würden. All dies geschehe mit Wissen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu, der den Verantwortlichen eine Art Immunität gewähre.

Peker behauptete auch, dass Falyalı über immensen Einfluss auf die Erdoğan-Regierung verfüge. Hintergrund sei sein Besitz diverser Sextapes hochrangiger Persönlichkeiten, die sich in den Luxusresorts des Geschäftsmannes auf Zypern aufgehalten hätten.

Zuletzt war Falyalı Anfang Oktober wegen Körperverletzung, Raubes und Freiheitsberaubung festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, einen Angestellten seines Casinos entführt und verprügelt haben zu lassen, weil er ihn des Diebstahls verdächtigte.

Nach drei Tagen in Untersuchungshaft wurde der Milliardär aufgrund angeblicher Herzprobleme in ein Krankenhaus überstellt. Seit Dezember befand er sich wieder auf freiem Fuß.

„Ein glorreicher Angriff“?

Dass der Mord an Falyalı nicht allerorten Trauer hervorruft, zeigt eine Kolumne des Journalisten und Schriftstellers Bahadır Özgür. Er schreibt [Seite auf Türkisch] in der heutigen Ausgabe der unabhängigen türkischen Tageszeitung BirGün:

Halil Falyalı wurde bei einem glorreichen Angriff getötet. Vom Drogenhandel bis zu Casinos; von Schwarzgeld zu illegalen Wetten; von Erpressungsverbindungen bis hin zu starken politischen Zugehörigkeiten war er eine perfekte Figur der Ära. Es war ein Baustein. Tatsächlich sollte seine Zerstörung als Zeichen dafür gewertet werden, dass auch die verbleibenden Steine verschoben werden.

Inwieweit die brutale Tötung an einem ihrer mutmaßlichen Hauptprotagonisten anscheinend mafiöse Strukturen im nördlichen Zypern und auf oberster türkischer Regierungsebene aufbrechen kann, bleibt dahingestellt.

Die Aufklärung des Mordes an dem Casino-Betreiber Falyalı mit seinen offenbar weitgehenden kriminellen und politischen Verstrickungen könnte die Ermittler jedoch vor einige Herausforderungen stellen.