Dienstag, 19. März 2024

35.000 Pfund Spielschulden: 26-Jähriger ermordet eigene Großmutter

Walsall

In Großbritannien wurde ein 26-jähriger Drogen- und Spielsüchtiger wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das mit über 40 Messerstichen hingerichtete Opfer: Seine eigene Großmutter. Hintergrund dürften die enormen Spielschulden des Mannes gewesen sein.

Täter lässt sich von Überwachungskamera filmen

Ein Video auf YouTube: Die Überwachungskamera ist auf eine kleine Wohnstraße gerichtet. Das Bild ist ein wenig unscharf, Schneeflocken tanzen vor der Linse, niemand ist zu sehen. Dann kommt ein blauer Kleinwagen ins Bild, parkt vor einer roten Einfahrt. Eine Person steigt aus, geht zum Eingang des Hauses. Schnitt. Einige Zeit später kehrt die Person zurück und fährt wieder davon.

Diese Szene, die so oder so ähnlich, täglich Abermillionen Mal auf der Welt eingefangen wird, ist Zeugnis eines schrecklichen Verbrechens, das die britische Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten begleitet hat.

Der Fahrer des Wagens ist ein Mörder, sein Opfer wohnt in der kleinen Straße. Die Zeit zwischen Ankunft und Abfahrt, in der die Person in dem Haus hinter der roten Einfahrt verschwunden ist, ist die Tatzeit. Das Haus hinter der roten Einfahrt der Tatort.

Wurde ihr ihre Großzügigkeit zum Verhängnis?

Anne James (74) ist beliebt und für ihre Großzügigkeit und Herzenswärme bekannt. Die ehemalige Krankenschwester ist mehrfache Großmutter und ein absoluter Familienmensch: Steckt jemand in der Patsche, hilft sie, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Auch und gerade finanziell.

Am Mittwoch, dem 28. Februar dieses Jahres, wird der Seniorin mit dem weißen Haar und dem freundlichen Lächeln ihre Hilfsbereitschaft zum Verhängnis. In Ihrem Haus im britischen Walsall in den West Midlands, wird Anne James mit über 40 Messerstichen brutal ermordet.

Der erst 26-jährige Täter wurde gestern vom Birmingham Crown Court zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit einem Minimum von 24 Jahren Gefängnis verurteilt. Erschreckender als die Grausamkeit und ausufernde Gewalt, mit der er seine 74-jährige Großmutter in einem wahren Blutbad erstochen hatte, ist nur seine Kaltblütigkeit: Nur wenige Stunden nach der Tat hatte er sich vor dem Haus der Ermordeten von der Polizei befragen lassen.

Als trauernder Enkel.

Ohne erkennbare Regung: Mörder lässt sich befragen

Gregory Irvin, ein rundlich-weicher junger Mann mit rotem Bart und Brille, hatte der Polizei vor laufender Kamera erklärt, am Vormittag zum letzten Mal mit seiner Großmutter telefonisch gesprochen zu haben. Sie sei beim Chiropraktiker und bester Laune gewesen. Was er den Beamten nicht erzählte: Nach dem Telefonat um 10:45 Uhr hatte er seine Großmutter noch zu Hause aufgesucht.

Eine 2016 in England veröffentlichte Studie sieht einen Zusammenhang zwischen Glücksspielsucht und Gewalt. In einer repräsentativen Umfrage gaben über 3000 Männer Auskunft zu ihrem Glücksspielverhalten und ihren Gewalterfahrungen.

Das Ergebnis der Forscher: Männer mit kritischem oder problematischem Glücksspielverhalten berichteten öfter von gewaltsamen Verhaltensweisen. Die Zahlen waren beeindruckend:

Während bei den Nichtspielern „nur“ 19 % der Befragten angaben, in den letzten fünf Jahren in irgendeiner Art gewalttätig geworden zu sein, stieg der Anteil bei den Gelegenheits- und Freizeitspielern auf 28 %. Mit weitem Abstand berichtete die Gruppe der Problemspieler von selbst ausgeübter Gewalt: 45 % von ihnen hatten in den vergangenen Jahren Gewalt ausgeübt.

Empirische Studien sagen nichts über die Gründe der möglichen Zusammenhänge aus. Ob die Gewalt beispielsweise aus einer Verzweiflungsphase während des exzessiven Spiels erwächst oder im Sinne von Beschaffungskriminalität, um an das dringend benötigte Geld zu kommen, angewendet wird, kann eine solche Studie ebenso wenig beantworten, wie die Frage, inwieweit eine mögliche Störung der Impulskontrolle der Probanden sowohl für problematisches Spielverhalten als auch Gewalttätigkeit verantwortlich sein könnte.

Mehr als nur der übliche Besuch

Anne James muss davon ausgegangen sein, dass es ihrem Enkel bei seinem Besuch nur um Geld ging, wie schon so viele Male bevor. Die Frau, die Angehörige beim Prozess auch als „Bank der Familie“ beschrieben, hatte Gregory schon oft finanziell ausgeholfen und so blieb auch seine Bitte um 250 Pfund für einen angeblichen Verlobungsring nicht ungehört. Doch diesmal hatte er andere Pläne.

Als Anne James sich am Mittag des 28.Februar eine Suppe in ihrer Küche zubereitete – ihr Mann befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus – wusste sie nichts von den finsteren Plänen ihres Enkels. Die Ermittlungen ergaben, dass sie ihm vermutlich arglos den Rücken zugedreht hatte, als er sie mit ihrem eigenen Brotmesser attackierte und ein Massaker in der Küche anrichtete.

Drogen, Lügen und 35.000 Pfund Schulden

Statue Frau

Mord wegen Spielschulden? Der 26-Jährige tötete seine eigene Großmutter (Quelle:pxhere.com, licensed under CC0)

Gregory James war schnell in den Fokus der Ermittlungen geraten. Der 26-Jährige war bekannt dafür, in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken und Freunde und Familie regelmäßig um Geld zu bitten. Sein Kokainkonsum kostete ihn mittlerweile rund 100 Pfund in der Woche und er hatte ein kleines Vermögen an Spielschulden angehäuft.

35.000 Pfund war der Brite den Fahndern zufolge im Minus und dringend auf der Suche nach einem Ausweg. Wollte die Großmutter ihm dieses eine Mal nicht aushelfen? Hat er die Kontrolle verloren und sie deshalb im Affekt getötet?

Gregory James beantwortete diese Frage vor Gericht nicht. Er könne sich nicht an die Tat erinnern, gab er zu Protokoll, und bekannte sich vor Gericht des Mordes an seiner Großmutter „nicht schuldig“.

Eine Farce, wie Harry Harrison, der leitende Ermittler im Fall Irvin, unumwunden feststellt:

Dies war das abscheuliche Verbrechen eines notorischen Lügners, der die Liebe und Unterstützung seiner Familie skrupellos ausgenutzt hat.

Tatsächlich sprechen nicht nur die Videoaufnahmen, die Drogensucht, die Spielschulden und das scheinbar sorglose Nachtatverhalten des 26-Jährigen eine deutliche Sprache: Zwei Tage vor der Tat hatte er eine Recherche im Internet betrieben. Die Suchworte: „old lady killed but killer never found“ (dt. „Alte Frau ermordet, aber Mörder nie gefunden“).

Gregory Irvin ist nicht der Erste, dessen Spielschulden zum Verhängnis anderer wurden. In Sachen Dummheit, Herzlosigkeit und Grausamkeit ist die Tat des Briten, der frühestens mit 50 Jahren wieder in Freiheit kommt, aber kaum zu überbieten.