Donnerstag, 25. April 2024

Deutschlands Experiment mit der Glücksspiel­steuer: So handhaben es andere Länder

Euro Geldscheine in durchsichtigem Koffer Casino Chips|Fragezeichen auf Waage

Am Donnerstag ist es soweit: Nach langem Ringen tritt der Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft und das Online-Glücksspiel wird erstmals bundesweit erlaubt sein. Doch mit der Legalisierung von Online-Casinos wird es auch eine neue Glücksspielsteuer geben, die im internationalen Vergleich einzigartig ist. Anbieter sollen unabhängig ihrer Profite 5,3 % Steuern auf die Spielereinsätze zahlen.

Wie verschiedene Glücksspiel- und Steuerexperten aufgezeigt haben, ergibt sich daraus ein mathematisches Problem: Bei den durchschnittlichen Auszahlungsquoten von Online-Spielautomaten zwischen 95 und 98 % würden die Anbieter mit einer Glücksspielsteuer von 5,3 % unweigerlich Verlust machen.

Um dies zu verhindern, müssten sie die Auszahlungsquoten merklich senken, was sich negativ auf die Attraktivität der Spiele auswirken dürfte. Obwohl dieses Argument im Rahmen einer Anhörung im Bundestag im Mai von mehreren Experten vorgetragen wurde, wird an der Steuer festgehalten.

Im europäischen Vergleich lässt sich feststellen, dass Deutschland mit dieser Art der Besteuerung einen Sonderweg beschreitet. Andere Länder, die ihre Glücksspielsteuern einst in ähnlicher Form erhoben, haben sich längst neuen Modellen zugewandt. Wie sieht es heute also in den anderen großen Glücksspiel-Nationen Europas aus?

Österreich und Schweiz: Unterschiedliche Besteuerung für das Online-Glücksspiel als für Casinos und Lotterien

Werfen wir zunächst einen Blick auf unsere deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz. In beiden Ländern ist das Online-Glücksspiel allein den staatlichen Anbietern vorbehalten. In Österreich betreiben die Casinos Austria AG und die Österreichischen Lotterien gemeinsam die Online-Glücksspiel-Plattform „win2day“.

Ebenso wie im landbasierten Casino- und Lotteriegeschäft, werden auch beim Online-Glücksspiel die Steuern auf die Bruttospieleinnahmen (Einsätze abzüglich ausgezahlter Gewinne) berechnet. Die Steuersätze variieren dabei leicht:

  • Spielbanken zahlen durchgehend 30 % ihrer Bruttospieleinnahmen an den Staat.
  • Die Lotterie- und Wettspiele Lotto „6 aus 45“, Toto, Joker und EuroMillionen werden mit 43,5 % besteuert.
  • Bei Sofortlotterien wie Rubbellosen und Brieflosen liegt der Steuersatz bei 33,5 %.
  • Bei den Spielen auf der win2day-Plattform liegt dieser bei 40 %.

Obwohl ausländische Online-Glücksspiel-Betreiber in Österreich illegal sind, sieht das Gesetz vor, dass auch diese Steuern im Land zahlen. Eine Profil-Recherche von 2018 hat ergeben, dass 17 „illegale Anbieter“ in Österreich tatsächlich ihre Steuern zu bezahlen scheinen. Zwischen 2011 und 2017 habe der Staat auf diese Weise immerhin 155 Mio. Euro Mehreinnahmen verbuchen können.

Auch in der Schweiz zahlen die Spielbanken ihre Glücksspielsteuern in Abhängigkeit ihrer Bruttospielerträge. Der Mindeststeuersatz für das landbasierte Glücksspiel liegt dabei bei 40 %. Bei Glücksspieleinnahmen von mehr als 10 Mio. CHF steigt der Steuersatz für jede Million um 0,5 %. Die Höchstgrenze liegt bei 80 %.

Der Mindeststeuersatz für die von den Spielbanken betriebenen Online-Casinos ist mit 20 % deutlich niedriger angesetzt. Sobald die Online-Casinos jedoch mehr als 3 Mio. CHF Umsatz generieren, wird auch hier stufenweise auf bis zu 80 % erhöht.

Großbritannien: Steuer auf Einnahmen vor 20 Jahren abgeschafft

Großbritannien wird in Sachen Glücksspiel-Regulierung oft als Vorbild genannt. Dies könnte auch in puncto Steuern der Fall sein. Das letzte Mal, dass Spieler in Großbritannien, wenn auch indirekt, Steuern auf Glücksspiel-Gewinne zahlen mussten, liegt gut 20 Jahre zurück.

Bis zum Jahr 2001 mussten Buchmacher eine Sportwetten-Steuer von 6,75 % auf die Einsätze der Wettkunden zahlen. Um keine Verluste zu machen, wälzten die Wettanbieter diese Steuer auf ihre Kunden ab, von deren Gewinnen sie 9 % einbehielten.

Der damalige Finanzminister Gordon Brown führte dann ein neues Steuermodell ein, gemäß dem alle Glücksspielanbieter 15 % Steuern auf ihre Bruttospielerträge zahlen sollten.

Großbritanniens Inselnachbar Irland hingegen hält nach wie vor an einem Steuermodell fest, welches dem geplanten deutschen Modell für Online-Glücksspiel entspricht. Während das Online-Glücksspiel in Irland jedoch nach wie vor unreguliert ist und entsprechend keine Steuern erhoben werden, gilt für legale landbasierte Glücksspiele, dass die Steuern auf die Spieleinsätze angerechnet werden. Diese liegen jedoch bei höchstens 1 bis 2 %, weshalb es keinen vergleichbaren Konflikt mit den Auszahlungsquoten gibt.

Auf das Online-Glücksspiel, welches in Großbritannien seit 2005 reguliert wird, wurde dieses neue Steuermodell von Beginn an angewendet. Erst 2019 wurde der Steuersatz für Online-Sportwetten und Online-Casinospiele schließlich auf 21 % erhöht.

Die landbasierten Spielbanken hingegen zahlen zwischen 15 und 50 % Steuern auf ihre Bruttospielerträge, Automatenbetreiber je nach Spielgerät zwischen 5 und 25 %, Bingo-Organisatoren zahlen fixe 10 %.

Belgien, Dänemark, Italien, Schweden, Spanien: Seit jeher Steuern auf Bruttoumsatz

In anderen europäischen Staaten ist die Glücksspiel-Steuergesetzgebung vergleichsweise übersichtlich und einheitlich. Was Länder wie Belgien, Dänemark, Italien, Schweden und Spanien dabei gemeinsam haben, ist, dass sie ihre Glücksspielsteuern von Beginn an auf die Bruttospielerträge anrechnen.

In Belgien müssen alle landbasierten Casinos und Buchmacher eine Glücksspielsteuer in Höhe von 15 % zahlen. Für Online-Glücksspiele gilt durchweg ein Steuersatz von 11 %.

In Dänemark liegen die Steuern für Casinos bei 45 %, für Automatenbetreiber bei 41 %. Online-Glücksspiele werden deutlich niedriger besteuert: Bis letztes Jahr galt ein Steuersatz von 20 %, seit Anfang dieses Jahres liegt dieser bei 28 %. Im Nachbarland Schweden zahlen Online-Casinos 18 % Steuern auf ihre Bruttospielerträge.

In Italien liegt der Steuersatz für landbasierte Sportwetten bei 20 % der Bruttospielerträge, für Online-Sportwetten hingegen bei 24 %. Landbasierte und Online-Casinos hingegen zahlen 20 % Steuern, Poker-Anbieter grundsätzlich 25 %.

Auch in Spanien hängt der Steuersatz von der genauen Art des Glücksspiels ab, aber wird grundsätzlich auf den Bruttospielertrag angerechnet:

  • Sportwetten mit fester Quote: 25 %
  • Pool-Sportwetten: 22 %
  • Pferdewetten mit fester Quote: 25 %
  • Pool-Pferdewetten: 15 %
  • Casinos: 20 – 55 %
  • Online-Glücksspiel: 25 %

Frankreich: Kehrtwende im Jahr 2020

Ein anderes Land, auf welches Deutschland im Rahmen seiner Steuer-Diskussion hätte schauen können, ist Frankreich. Bis Ende 2019 wurden die Steuern für Online-Sportwetten und Online-Poker auf die Spieleinsätze angerechnet. Bei den Sportwetten lag der Steuersatz bei 5,7 %, beim Poker bei 1,8 %. [Online-Slots und andere Online-Glücksspiele sind in Frankreich nicht zulässig.]

Französischen Medienberichten [Seite auf Französisch] zufolge habe sich dieses Modell jedoch als unvorteilhaft herausgestellt. So seien französische Spieler auf den attraktiveren Schwarzmarkt abgewandert. Diese Befürchtung habe auch verschiedene Kritiker der deutschen Glücksspiel-Besteuerung zum Ausdruck gebracht.

Seit 2020 zahlen Frankreichs Glücksspiel-Anbieter daher ihre Steuern wie in anderen Ländern auf die Bruttospielerträge. Die Steuersätze variieren je nach Spiel, sind im internationalen Vergleich jedoch deutlich höher angesetzt:

  • Online-Sportwetten: 55,2 %
  • Online-Pferdewetten: 37,7 %
  • Online-Poker: 40,8 %

Die französische Regierung habe sich Medienberichten zufolge mehr Steuereinnahmen durch das neue Modell erhofft. Offizielle Zahlen für das Jahr 2020 wurden jedoch noch nicht veröffentlicht.

Niederlande: Kuriose Steuer auf Gewinne

Ein gänzlich anderes Steuermodell verfolgen unsere Nachbarn in den Niederlanden. Dort müssen alle Gewinne aus dem Glücksspiel, die höher als 449 Euro sind, versteuert werden. Das kuriose daran: Der Anbieter kann entscheiden, ob er die Gewinnsteuer selbst zahlt, oder diese indirekt an den Kunden überträgt.

Fragezeichen auf Waage

Niederländische Anbieter müssen abwägen, wer die Gewinnsteuer zahlen soll (Bild: Pixabay)

Für die Glücksspiel-Firmen lohnt sich die letztere Option. Wie dem Steuerformular der niederländischen Steuerverwaltungsbehörde (Belastingdienst) zu entnehmen ist, liegt der Steuersatz bei 43,06 % des Gewinnes, wenn die Betreiber diesen selbst zahlen.

Geben sie die Steuer an die Gewinner weiter, indem sie die erforderliche Summe vor Auszahlung vom Gewinn abziehen, verringert sich der Steuersatz auf 30,1 %. Dies ist auch der Anteil, den Spieler verpflichtend an den Staat abgeben müssen, wenn sie auf nicht-lizenzierten Online-Glücksspiel-Webseiten gewinnen.

Für das ab Oktober legale Online-Glücksspiel soll dieses Modell jedoch nicht genutzt werden. Laut der Glücksspielaufsicht Kansspelautoriteit sollen Online-Casinos und Online-Buchmacher einen festen Steuersatz von 20 % auf ihre Bruttospielerträge zahlen. In Deutschland jedoch könnte das letzte Wort in Sachen Online-Glücksspiel-Steuer jedoch noch nicht gesprochen sein.